Rot-Grün gegen Wanderarbeiter

Polizei, Zoll und Finanzfahndung sollen Arbeitsimmigranten abschrecken. Mindestlohn umstritten, Senkung der Steuer für Unternehmen zunehmend fraglich

BERLIN taz ■ Höhere Mauern gegen Wanderarbeiter aus Osteuropa will Rot-Grün errichten. Zu dem Maßnahmenpaket, das das Bundeskabinett gestern beschlossen hat, gehören Sanktionen gegen osteuropäische Arbeiter und Druck auf die Regierungen der neuen EU-Mitglieder – unter anderem Polen.

Die Politik richtet sich gegen die Verdrängung deutscher Beschäftigter aus Schlachthöfen in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen durch Arbeitsimmigranten sowie die zunehmende Zahl osteuropäischer Schein-Firmen, die hierzulande Bauleistungen anbieten. Dabei setzt Rot-Grün vor allem auf den konzentrierten Einsatz von Polizei, Zoll und der so genannten Finanzkontrolle Schwarzarbeit. Wie Wirtschaftsstaatssekretär Gerd Andres (SPD) gestern erklärte, sollen die notwendigen Papiere der EU-Arbeiter besser kontrolliert werden. Mit den Industrie- und Handelskammern spricht die Bundesregierung darüber, dass Gewerbeanmeldungen bei Verdacht verweigert werden sollen.

Die vom Bundeskabinett gestern formell eingerichtete „Task Force“ zwischen Finanz- und Wirtschaftsministerium will sich außerdem bis Mai darüber klar werden, ob der Mindestlohn vom Bau in die Branchen der Gebäudereiniger und die Fleischwirtschaft übertragen werden kann. Dann würde es für Arbeitsimmigranten schwieriger, ihre deutschen Konkurrenten mit Niedriglöhnen aus dem Feld zu schlagen. Ob eine Ausweitung des Mindestlohnes freilich die Zustimmung der Union bekäme, war gestern fraglich. Ronald Pofalla, Vizefraktionsvorsitzender der Union im Bundestag, erklärte, seine Partei lehne ein Mindestlohn-Gesetz für andere Branchen grundsätzlich ab.

Ähnlich sieht es bei einem Kernelement des so genannten Jobgipfels von Mitte März aus: Die Senkung der Körperschaftsteuer für Kapitalgesellschaften liegt auf Eis. Die Union lehnt das Konzept des Finanzministeriums mit dem Argument ab, die Finanzierung der Steuersenkung sei unsolide. Unter diesen Umständen lässt nach Informationen der taz auch die Bereitschaft der SPD nach, sich mit einem weiteren Geschenk an die Unternehmen bei ihrer Stammwählerschaft unbeliebt zu machen.

HANNES KOCH