Peking ist enttäuscht, lässt aber nicht locker

Chinas Taiwanpolitik stärkt die Befürworter des Waffenembargos. Peking hofft auf Unterstützung aus Berlin und Paris

PEKING taz ■ Keine Frage, Peking ist enttäuscht. Die chinesische Regierung hatte das Thema Waffenembargo seit Antritt ihres Ministerpräsidenten Wen Jiabao vor zwei Jahren ganz oben auf die diplomatische Tagesordnung gesetzt. Doch nachdem man den Erfolg im Dezember 2004 schon sicher wähnte, als der EU-Ministerrat einen Tendenzbeschluss zur Aufhebung des Embargos fasste, muss sich Peking heute mit einem unklaren Zeitplan abfinden.

Schuldzuweisungen wird China dennoch vermeiden. Dafür weiß man zu gut, dass das eigene Missgeschick auch selbst verursacht ist. Letztlich wurde die von der EU bereits für Juni geplante Aufhebung des Embargos weniger auf US-Druck hin verhindert als aufgrund der zeitlichen Koinzidenz mit Chinas neuem Antisezessionsgesetz. Mit dem im März verabschiedeten Gesetz droht Peking Taiwan im Falle seiner Unabhängigkeitserklärung mit Krieg. Da jedoch Taiwans Präsident Chen Shui-bian seine Unabhängigkeitspläne zuvor bereits weitgehend widerrufen hatte, goss das Gesetz unnötig Öl ins Feuer. In dieser von Peking selbst verschärften Situation China mit der Streichung des Waffenembargos zu belohnen, musste auch den besten EU-Freunden missfallen. Das begriffen zuletzt auch die Chinesen und schickten Außenminister Li Zhaoxing zur Schadensbegrenzung nach Brüssel. Li argumentierte dort: Die Aufhebung des Embargos würde keine Änderung der Waffenimportpolitik bedeuten, ebenso sei eine Verschlechterung der Beziehungen zu Taiwan und eine Erhöhung der militärischen Spannungen im Pazifik auszuschließen.

Genau diese Argumente hatten Bundeskanzler Gerhard Schröder und Frankreichs Präsident Jacques Chirac schon vor zwei Jahren überzeugt. Doch sie klingen heute schwächer, nicht nur wegen Taiwan, sondern weil sich auch Chinas Beziehungen zu Japan rapide verschlechtert haben, und Tokio heute offen gegen die Aufhebung des Embargos opponiert. Schröder und Chirac dürften diese Probleme bei ihrer ursprünglichen Zustimmung kaum vorausgesehen haben; dennoch stehen sie zu ihrer Entscheidung, was in China viel Lob findet. Berlin und Paris sammeln wichtiges politisches Kapital: In einer Zeit, wo Peking wieder stärker ins Visier des Pentagons gerät und Japan China die Stirn bietet, kann sich Peking anscheinend auf Deutschland und Frankreich verlassen.

Umso weniger will Peking jetzt aufgeben und trotz aller Rückschläge weiter auf die Aufhebung drängen. Exemplarisch für die Pekinger Interessen ist die Beteiligung am Galileo-Projekt. Hier kann sich China der europäischen Entwicklung eines Satellitennavigationsprogramms anschließen, das sich in dem Land mit der weltweit größten Zahl von Mobilfunknutzern die meisten Kunden verspricht. China wiederum sieht seine potenziell führende Rolle bei der Anwendung von Galileo als Chance, einen neuen Industrie- und Dienstleistungssektor zu entwickeln. Der Einstieg in die stets auch militärisch verwendbare Navigationstechnik ist für China also ein Muss, zunächst entwicklungspolitisch, später auch militärtechnologisch. Genau darum geht es auch bei der Aufhebung des Embargos. Die Folge wäre nicht ein drastischer Anstieg von Waffenkäufen, wohl aber ein intensiverer Technologieaustausch mit militärischen Implikationen, die wie bei Galileo erst langfristig spürbar würden.

Die USA haben deshalb Chinas Beteiligung an Galileo aus den gleichen Gründen kritisiert wie die eventuelle Aufhebung des Embargos. Hier aber liegt das stärkste Argument für die Befürworter der Aufhebung: Denn China alle Technologie vorzuenthalten, die neben ihren zivilen auch militärischen Nutzen verspricht, hieße, China von der technologischen Entwicklung auszuschließen. Das will das Pentagon, das aber kann Europa nicht wollen. GEORG BLUME