Stefan Osterhaus schaut sich in den Galerien von Berlin um

Der Dichter Theodor Däubler (geb. 1876, gest. 1934) war ein mächtiger Mann. Manche verglichen seine Erscheinung mit der des Zeus, langer Bart, wuchtiger Körper, so oder so ähnlich hat sich mancher den Göttervater vorgestellt. Und er hatte auch ein mächtiges Werk hinterlassen, ein Epos von mehr als 30.000 Versen, das „Nordlicht“, das will erst mal gelesen, will erst mal verstanden, will erst mal verdaut werden – Verse, in denen er das Ideal der griechischen Antike absteckte, Verse, die das Prädikat des „letzten Griechen“ legitimierten, das ihm der Altphilologe und Literaturhistoriker Walter Jens einmal verlieh.

Däublers Lyrik wäre nicht möglich gewesen ohne ein Verständnis der Antike, die wiederbelebt wurde durch die Renaissance oder zumindest: durch deren Ästhetik. Und genauso verhält es sich mit dem Maler Michael Kunze. Auch er ist ein imposanter Typ. Und sein Werk ist es es auch. Es ist nicht nur großformatig. Es ist auch umfangreich. Und seit mehr als zweieinhalb Jahrzehnten malt und malt und malt Kunze an seinem Imperium, das dem alten Hellas mitunter berückend nahe kommt, aber doch genauso in der Gegenwart verwurzelt ist.

Kunze ist Archäologe und Kulturfreak. Es ist die europäische Geistesgeschichte, die sich durch sein Werk zieht. Mal sind es die Porträts von Tarkowski, Céline, oder Ernst Jünger, ein andermal ist es ein Haufen Spartaner im Kampf gegen eine Übermacht, ein Fight wie eine Opferung, wo von vornherein klar ist, dass es ums Ideal und nicht um den Sieg geht. „Schwarzorange“ heißt seine aktuelle Ausstellung bei Contemporary Fine Arts. Diesmal ist es die Architektur, die Kunze ins Bild rückt, manchmal stürzen Linien, manches wirkt aufgeräumt, ist aber doch auf dem zweiten Blick dem Chaos nahe – eine menschenleere Welt kurz vor der Implosion, eine Welt der leeren Tempel.

■ Michael Kunze: Schwarzorange. Bis 4. Februar, Di.–Sa., 11–18 Uhr, Am Kupfergraben; Michael Kunze zu seiner Ausstellung: www.cfa-berlin.de/videos/