Wahlanfechtung rückt näher

Die Fahndung der NRW-Regierung nach eingebürgerten Türken mit illegalem Doppelpass läuft schleppend an. Auch die Türkei ist bisher nicht bereit, eine Liste mit den Betroffenen herauszugeben

VON NATALIE WIESMANN

Sechs Wochen vor der Landtagswahl in NRW steigt die Wahrscheinlichkeit, dass deren Ergebnis angefochten wird. Unter der türkischstämmigen Bevölkerung im Land werden tausende von Eingebürgerten vermutet, die gegen die Bestimmungen des neuen Staatsangehörigkeitsrechts wieder in Besitz eines türkischen Passes sind. Sie haben per Gesetz ihre deutsche Staatsangehörigkeit verloren und würden bei einem Urnengang das Wahlergebnis verfälschen (taz berichtete).

Die Bemühungen des Bundesinnenministers Otto Schily (SPD), insbesondere in Hinblick auf die Landtagswahl bei seinem türkischen Amtskollegen Abdulkadir Aksu eine Liste mit den so genannten illegalen Doppelstaatlern zu erhalten, sind gescheitert. Bei einem gemeinsamen Treffen am Montag hat der türkische Innenminister die Namen nicht preisgegeben. Stattdessen soll in ungewisser Zukunft ein deutsch-türkisches Abkommen geschlossen werden, das die gegenseitige Informationspflicht über Einbürgerungen festlegt.

Eine Maßnahme, die für die Landtagswahl zu spät greift. „Wir hatten auf dieses Treffen nicht gebaut“, sagt Dagmar Pelzer, Sprecherin des NRW-Ministeriums. Zwar habe man gehofft, dass die Türkei dem deutschen Staat entgegenkomme, aber nicht wirklich geglaubt, dass vor der Wahl die Namen der illegalen Doppelstaatler bekannt würden.

Die NRW-Regierung hofft dagegen auf die Wirksamkeit ihrer Briefaktion. Über die Meldebehörden werden zurzeit 10.000 Haushalte von nach 2000 eingebürgerten Türken angeschrieben. Sie sollen angeben, ob sie neben ihrem deutschen Pass auch noch die türkische Staatsbürgerschaft besitzen. „Ein paar von den Empfängern haben schon zugegeben, dass sie wieder einen türkischen Pass beantragt haben“, sagt Pelzer. Wie viel Resonanz es bisher gegeben habe, wüsste sie noch nicht. „Bis zum 29. April soll die Aktion abgeschlossen sein“. Wer sich nicht zurückmelde, müsse mit Zwangsgeldern rechnen.

Die Stadt Essen hat bereits Ende vergangener Woche die ersten Briefe per Einschreiben losgeschickt. „Wir haben noch keine Rückmeldungen“, sagt Uwe Simon, Leiter der Meldebehörde. Doch er bleibt zuversichtlich: „Ich rechne mit einem hohen Rücklauf“.

In Köln sollen die Briefe an 7.000 eingebürgerte Türken erst im Laufe dieser Woche herausgehen. Dass die Zeit bis zur Landtagswahl knapp ist, weiß auch Ordnungsamtsleiter Robert Kilp. „Wir werden im Notfall dann im Wahllokal nochmal anfragen müssen.“ Er glaubt nicht eine große Resonanz auf die Briefaktion. „Den Betroffenen wurde von manchen Politikern oder Anwälten nahegelegt, sie sollen nicht darauf antworten“, sagt Kilp. Unter anderem hatte die PDS und ein Kölner Anwalt die Briefe für datenschutzrechtlich bedenklich erklärt. Sie hatten den Deutschtürken vergangene Woche geraten, sich zunächst umfassend juristisch beraten zu lassen und gegebenenfalls Widerspruch gegen das Schreiben einzulegen.