Gutes Benehmen versteht sich von selbst

Am Rande des Beisetzungsgottesdienstes zu Ehren von Papst Johannes Paul II. zeigten die geladenen Regierungschefs, dass sie wissen, was sich gehört. Höhepunkt des Miteinanders: symbolisches Händereichen zum Zeichen des Friedens

AUS ROM MICHAEL BRAUN

Hände schütteln – das gehört seit je zum Minimum der zwischenstaatlichen Umgangsformen. Wo es keinen Händedruck mehr gibt, da haben sich die hohen Staatsvertreter symbolisch die Boxhandschuhe angezogen, signalisieren sie ihrem Gegenüber, dass er Unperson ist, weil er eine Regierung vertritt, die eigentlich weggeputzt gehört.

Das ist zwar kriegsträchtig, im täglichen persönlichen Umgang aber unproblematisch: Der findet nämlich gar nicht statt. Außer der Papst stirbt. Und außer der Pontifex heißt dann auch noch Johannes Paul II. Noch beim Tod Pauls VI., 1978, schickte US-Präsident Jimmy Carter bloß seine Gattin, kamen insgesamt gerade mal drei oder vier Regierungschefs. Diesmal dagegen wollten alle mit Spitzenbesetzung dabei sein.

Ob der Vatikan das Schlimmste befürchtete? Schließlich hockten da Leute zusammen, die für mindestens ein halbes Dutzend Kriege gut wären. Die USA waren mit einem amtierenden und zwei Expräsidenten vertreten, Kuba hatte den Parlamentspräsidenten geschickt, aus Iran war Präsident Chatami angereist, Baschar al-Assad aus Syrien war da, nur ein paar Meter entfernt von Israels Staatspräsident Mosche Katsaw, und Simbabwes Staatspräsident Robert Mugabe kam ganz in der Nähe von Prinz Charles zu sitzen. Doch dem toten Papst zuliebe rissen sich alle am Riemen. Das Zeremoniell hatte ihnen aber eine üble Falle gestellt: Zur katholischen Messe gehört am Ende der Austausch des Friedenszeichens – man gibt den Leuten, die so um einen rum stehen, der Reihe nach die Hand. Und ehe man sich’s versieht, hat man dem Falschen das Friedenszeichen gesandt.

Direkt nach der Beerdigung jedenfalls reklamierte Israels Präsident gleich zwei sensationelle Erfolge, als hätte er Skalps erobert. Chatami war das erste Opfer: „Der iranische Präsident hat mir die Hand entgegengestreckt, ich habe sie genommen und auf Farsi gesagt, der Friede sei mit Ihnen.“ Damit nicht genug, auch Assad war fällig: „Ich habe ein Lächeln und zwei Händedrücke mit dem syrischen Staatspräsidenten ausgetauscht.“

Eine Sensation ohnegleichen, erst recht weil die israelische Zeitung Ha’aretz wissen wollte, Katsaw und Chatami hätten dann eine geschlagene Stunde miteinander geredet. Doch einer der beiden Protagonisten muss durch Weihrauch ziemlich eingenebelt gewesen sein: Chatami will sich beim besten Willen nicht erinnern. Und Assad gestand den Händedruck zwar ein, stufte ihn aber gleich zum „reinen Akt der Höflichkeit“ herab.

Ein Künstler im Händedruck-Abfischen scheint auch Mugabe zu sein – Prinz Charles schüttelte der Unperson die Hand. Doch darf man dem Prinzen glauben, ist er bloß ein höflicher Mensch, der auf Beerdigungen ungern Szenen macht. Tauwetter scheint jedenfalls gegenüber Simbabwe ebenso wenig wie zwischen Israel und den zwei Erzfeinden ausgebrochen. Eher wird die Episode in den Staatsmann-Knigge für hohe Begräbnisse eingehen unter: „Aufgepasst beim Friedenszeichen!“