Tendenz: lauter werdend

BAHN Der Ausbau von Gleis 1 am Hauptbahnhof ist genehmigt. Bis 2015 wird der Güterverkehr auf Bremens Schienen deutlich zunehmen – und der Lärm auch. Jeder dritte Einwohner ist betroffen

Mehr als 90.000 BremerInnen sind schon jetzt nachts mehr Bahnlärm ausgesetzt, als zulässig ist.

Offiziell und rein formell betrachtet geht es nur um die „simple Verbindung von zwei Abstellgleisen“, die da vom Eisenbahnbundesamt (EBA) noch kurz vor Weihnachten abgesegnet wurde. Diese Verbindung aber ist Gleis 1 am Bremer Hauptbahnhof. 2015 könnten hier täglich bis zu 280 Güterzüge durch die Bahnhofsvorstadt rattern, mehr als die Hälfte davon nachts. Bisher sind es maximal 218. AnwohnerInnen und Stadtteilpolitiker sind unzufrieden – sie fürchten noch mehr gesundheitsschädlichen Lärm.

Die Bahn will Bremen „ertüchtigen“ – wegen des Jade-Weser-Ports. Wenn nicht bis Monatsende doch noch Klagen gegen den Planfeststellungsbeschluss eingehen, dann kann der Ausbau der Strecke Mitte des Jahres beginnen. Mehr als 150 Einwendungen von Privatleuten gab es gegen das Projekt, doch dagegen prozessieren wolle bislang „leider“ keiner von ihnen, sagt Günther Knebel, der Sprecher der Bürgerinitiative. Einige überlegen jedoch noch. Im Ortsamt Mitte winkt man dagegen ab: Der grüne Viertelbürgermeister Robert Bücking spricht zwar von „Zumutungen“ für die BürgerInnen, davon, dass es da „nicht fair und gerecht“ zugehe. Doch die Aussichten für einen erfolgreichen Prozess schätzt er als gering ein. Und auch Knebel ist „skeptisch“, ob auf dem Rechtswege viel zu erreichen sei. Im Beirat Schwachhausen wiederum wird erst am Mittwoch über diese Frage diskutiert – während parallel dazu die SPD in Findorff mit ihrem Bundestagsabgeordneten Uwe Beckmeyer diskutiert: „Die Bahn kommt – bitte leise!“ Auch das Verkehrsressort prüft noch, ob es klagen will oder nicht.

Mehr als 90.000 BremerInnen sind schon jetzt nachts mehr Bahnlärm ausgesetzt als zulässig ist, sagt das Verkehrsressort, tagsüber sind es immer noch über 40.000, bei denen die Immissionen über dem Grenzwert liegen. Jeder Dritte in Bremen ist Bahnlärm ausgesetzt, das ist, vergleicht man 27 Ballungszentren mit mehr als 250.000 EinwohnerInnen, immerhin Platz sieben auf einer nach oben immer lauter werdenden Skala.

Und die Belastung in Bremen wird noch steigen: Bis 2015 wird der Schienengüterverkehr vom Hauptbahnhof aus in alle vier Himmelsrichtungen erheblich wachsen, so das Verkehrsressort: Täglich 20 Züge mehr in Richtung Osten, dazu 62 in Richtung Süden, und im Norden und Westen sind es noch mehr. Die Akzeptanz des Güterverkehrs per Bahn drohe „mehr und mehr verloren zu gehen“, schreibt das Ressorts. Das Problem sei der „zum großen Teil sehr veraltete Fuhrpark der Transportunternehmen“, der „sehr laute Fahrgeräusche“ mit sich bringe, vor allem nachts die Lärmkulisse dominiere. Leisere Güterzüge, wie sie etwa die halbstaatliche BLG benutzt, seien etwa zehn Dezibel leiser als ältere Modelle, sagt Walter Ruffler, vor dessen Haus in der Roonstraße ein halbes Dutzend Gleise liegt.

Der Planfeststellungsbeschluss zu Gleis 1 geht auf solche Einwände nicht weiter ein: „Den Interessen des Lärmschutzes der Betroffenen werde Genüge getan“, schreibt das EBA. Die Baumaßnahme diene nicht „der Schaffung neuer Kapazitäten über größere Distanzen“. Es gehe darum, ausschöpfen zu können, was bereits möglich sei. Und darum, dass Züge vermehrt planmäßig fahren, wodurch, wenn weniger gebremst und wieder angefahren werden muss, am Ende „weniger spürbare Geräusche“ entstünden, so das EBA.

Auch andere Einwände wurden abgeschmettert: So seien Tempolimits nicht Gegenstand des Verfahrens gewesen, Umfahrungen des Hauptbahnhofs „keine Alternative“.

Zweierlei hat der Protest erreicht: Es wird eine zunächst nicht geplante Schallschutzwand gebaut. Auch ein paar Lärmschutzfenster werden bezahlt – aber nur für jene, die in dem kurzen Streckenabschnitt wohnen, an dem jetzt gebaut wird. JAN ZIER