LESERINNENBRIEFE
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„Was sagt uns das?“

■ betr.: „Nach dem Rassistenmord“, taz vom 5. 1. 12

Der rassistische Mord an einem 18-Jährigen im Jahr 1993 „hat das Rassismusproblem ins Bewusstsein der Nation gerückt und die Polizei gezwungen, sich diesem Problem in ihren eigenen Reihen zu stellen“? Nein, wenn ich den ausführlichen Berichten im englischsprachigen Fernsehen folge, dann sind zwar – endlich – zwei von mehreren am Mord beteiligten Tätern schuldig gesprochen und verurteilt worden. Aber nicht dieser Mord, sondern die nachfolgend sich über 18 Jahre hin quälende Strafverfolgung hat bewirkt, dass mit dem Richterspruch ausdrücklich ein „institutioneller Rassismus“ in der britischen Polizei an den Pranger gestellt worden ist. Gemeint sind damit menschenverachtende Praktiken gegenüber Mitbürgern anderer Hautfarbe, Praktiken, die Polizei und Gesellschaft oft genug billigend in Kauf genommen haben.

Jetzt hat ein englisches Gericht der Polizeiführung einen systemimmanenten Rassismus bescheinigt, Anlass dazu war mit 18-jähriger Verspätung die Verurteilung von Mördern, die den Freispruch schon in der Tasche geglaubt hatten.

Als taz-Leser frage ich wie die taz: „Was sagt uns das?“ Manchmal vergeht kein Tag bei uns, und in der Regel keine Woche, ohne dass nicht die taz ausländerfeindliche Untaten öffentlich macht, von Diskriminierung und Abschiebung bis zu Brandstiftung und Mord. In England ist die gesellschaftliche Billigung und die unrühmliche Beteiligung auch offizieller Stellen am praktizierten Rassismus gerichtsnotorisch festgestellt. JÖRG MÜLLER, Porta Westfalica

Hausaufgaben nicht erledigt

■ betr.: „Bäume stoppen Fahrplan“, taz vom 7. 1. 12

In dem ansonsten recht netten Artikel ist leider ein winzig kleiner Fehler passiert: „Bereits am 5. Oktober hatte das Eisenbahn-Bundesamt der Bahn aufgegeben …“ Da fehlt ein „2010“. Es war nämlich nicht vor einigen Wochen, sondern vor 15 Monaten, dass das EBA seine Verfügung erlassen hat.

Diese kleine Ungenauigkeit an dieser Stelle ist sehr schade, denn der unbedarfte taz-Leser hat an dieser Stelle dadurch überhaupt keine Chance, zu verstehen um was es geht: Die Bahn hat seit weit mehr als einem Jahr „vergessen“, ihre Hausaufgaben zu erledigen (und mit der Bahn hat wohl auch bei der neuen grün-roten Regierung Vergesslichkeit und Demenz eingesetzt, sonst hätte der neue Ministerpräsident Kretschmann nicht unermüdlich verkünden können, die Bahn habe Baurecht).

Spätestens seit August 2010 ist der Protest gegen das destruktive Projekt „Stuttgart 21“ in den überregionalen Medien und findet Resonanz in vielen Städten der Welt, von New York über Schanghai bis in das russische Samara. Leider kann man beobachten, dass die Information über die kreative Protestbewegung in entfernten Städten wie Biberach, Blaubeuren, Bonn, Beijing oder gar in dem noch viel weiter entfernten Berlin nur in verkürzter und verzerrter Form ankommt. Die taz könnte ein hervorragendes Medium sein, dem entgegenzusteuern. GOTTFRIED OHNMACHT-NEUGEBAUER, Reutlingen

Mit 13 verheiratet

■ betr.: „Britisches Paar ist seit 86 Jahren verheiratet“, taz v. 9. 1. 12

Eigentlich interessiert es keinen, wie lange irgendwelche Leute verheiratet sind, und wenn, gehört es auf die Wahrheit. Im redaktionellen Teil sollte aber jemandem auffallen, dass in der unkritisch gelobten Ehe die 99-Jährige vor 86 Jahren verheiratet wurde, also mit 13. Ehe man das anpreist, sollte man die Nachricht vielleicht einfach gar nicht drucken, denn ein richtig guter Aufhänger für die Debatte von (Zwangs-)Verheiratung von Kindern ist sie nun auch wieder nicht. SILKE KARCHER, Berlin

Prüfen in vernünftigen Maßen

■ betr.: „Das künstliche Hüftgelenk wird schon halten“, taz v. 9. 1. 12

Um kein Missverständnis aufkommen zu lassen: Der Untergang der FDP ist mir eine alltägliche Freude, aber hier muss ich mich inhaltlich der Haltung Daniel Bahrs anschließen: Kontrollen bitte nur da, wo sie sich als notwendig erweisen, selbstverständlich bei Brustimplantaten, die übrigens schon seit Jahrzehnten als technisch suspekt gelten.

Wer aber alle Medizinimplantate einer der Medikamentenzulassung vergleichbaren aufwendigen Prüfung unterziehen will, nimmt nicht nur eine erheblich verlangsamte Innovation der Produkte in Kauf, sondern – was viel bedeutsamer ist – eine Kürzung der finanziellen Mittel an viel relevanterer Stelle. Die moderne Medizin wird durch technische Fortschritte laufend besser, man denke an die moderne bildgebende Diagnostik wie Ultraschall, CT und MRT oder lebensrettende Knochenmarkstransplantation, aber auch immer kostenträchtiger. Die gesellschaftlich aufzubringenden Mittel müssen daher dort eingesetzt werden, wo sie die relevantesten Effekte erzielen. Wer an einer Stelle Geld ausgibt, dem fehlt es an anderer oder: wer hier etwas ausgibt, verweigert es dort!

Das bedeutet nicht, dass Medizinprodukte keinerlei Prüfung zu unterziehen sind, aber bitte nur in vernünftigem Maße. Mir ist nichts über wegbrechende Hüftendoprothesen bekannt. Sollten diese auftreten, ist der Hersteller in vollem Umfang haftrechtlich verantwortlich zu machen. Dies wäre ein gesellschaftlich kostengünstiger bedeutsamer Selbstkontrollmechanismus. Dies gilt in der aktuellen Situation auch für die Explantation der Brustimplantate: nicht die Krankenkassen sind finanziell in der Pflicht, sondern die Implantathersteller, und zwar in vollem Umfang! HEIKO WEHDE, Flensburg