Bei Gewitter Stecker ziehen!

Dass der Blitz ins Haus einschlagen könnte, ist nicht mehr die größte Gefahr. Erheblicher Schaden entsteht aber alljährlich an Elektrogeräten, weil er irgendwo in der Nähe zugeschlagen hat

von Gernot Knödler

Eberhard von Fintel weiß, was es heißt, wenn der Blitz einschlägt. Der Mitarbeiter der Hamburger Feuerkasse erinnert sich lebhaft an den Juni vergangenen Jahres: Ein Blitz zerstörte den Giebel eines Fahrzeugunterstandes und sprang von dort aus auf das benachbarte Bauernhaus über, wo er der Elektroanlage den Garaus machte. „Die Kabel platzten alle paar Meter aus den Wänden und kamen einem wie Wollmäuse entgegen“, erzählt von Fintel. Dass der Blitz so direkt und hart zuschlagen könnte, ist heute nicht mehr die größte Gefahr. Schätzungen der Versicherungswirtschaft zufolge entstehen in Deutschland jährlich mehrere Hundert Millionen Euro Schäden an Elektrogeräten, weil der Blitz irgendwo in der Nähe eingeschlagen hat.

Die für Menschen gefährlichen Blitze entstehen zwischen der negativ geladenen Unterseite von Wolken und der positiv geladenen Erde. Wird die Spannung, das elektrische Gefälle, zwischen beiden zu groß, überwindet der Strom die isolierende Luft: Von der Wolke fährt ein Blitz herab, der jedoch über dem Erdboden verharrt. Damit es zum Kurzschluss kommen kann, muss ihm von der Erde aus eine Fangladung die Hand reichen. Die Fangladung steigt dabei von dem Punkt auf der Erdoberfläche auf, der dem Ende des herabfahrenden Blitzes am nächsten ist.

Das ist der Grund dafür, dass der Blitz ins Haus einschlagen kann, auch wenn ein hoher Baum daneben steht. Um den Gefahrenbereich zu ermitteln, rollten die Blitzschutzexperten in Gedanken eine Kugel mit 30 Metern Durchmesser über das Gelände-Profil, beschreibt von Fintel. Bei einer angenommenen Entfernung des herabfahrenden Blitzes zur Erdoberfläche von 15 Metern lassen sich so die dem Leitblitz am nächsten liegenden Geländepunkte bestimmen.

Kommt es zum Kurzschluss, fließen innerhalb von Sekundenbruchteilen einige 100.000 Ampere. Der Blitz zerschlägt Dachpfannen und beschädigt Mauern. „Nur jeder 100ste Direkteinschlag zündet“, sagt von Fintel. Äußerer Blitzschutz, der bekannte „Blitzableiter“, ist nach der Hamburgischen Bauordnung daher nur für besonders gefährdete, wertvolle oder stark frequentierte Gebäude vorgeschrieben: Hochhäuser, öffentliche Gebäude, Versammlungsstätten und reetgedeckte Häuser, an denen im Alten Land der Blitzableiter mit seinem Drahtsystem deutlich zu erkennen ist. Als erstes Gebäude in Deutschland soll 1768 die Petrikirche mit einem solchen Blitzschutz versehen worden sein.

Einen Blitzableiter zu installieren sei bei neuen Wohnhäusern nur mit Mehrkosten von zwei- bis zweieinhalbtausend Euro verbunden, wirbt die Feuerkasse. Denn für die Erdung könne der ohnehin vorgeschriebene Fundamenterder verwendet werden. Der Fernseher, die Stereoanlage, der Computer, das Telefon und die elektronische Steuerung der Heizung sind damit bei einem Blitzeinschlag noch nicht aus dem Schneider.

Um gefährliche Spannungen bei einem Einschlag zu verhindern werden in der Regel alle metallenen Leitungen im Haus miteinander und dem Fundamenterder über eine „Potenzialausgleichsschiene“ verbunden. Weil zudem auch bei einem Einschlag in der Nähe Überspannungen in Stromkabeln und Datenleitungen entstehen können, gibt es zusätzliche Schutzeinrichtungen, die sich am Zählerkasten und an den Steckdosen anbringen lassen. Der beste Schutz für die Elektronik ist zugleich der einfachste: Bei Gewitter Stecker ziehen, wie es schon die Oma für den Fernseher empfohlen hat.

Für Menschen gilt das Gleiche: Sie sollen während eines Gewitters nicht baden, duschen oder telefonieren, emfiehlt die Feuerkasse. Von elektrischen Leitungen, Antennenkabeln, aber auch Wasserleitungen sei Abstand zu halten, weil durch sie der Blitz seinen Weg suchen kann.