Raus auf Raten

URTEIL Ein wegen Mordes verurteilter psychisch kranker Mann wird auf die Freiheit vorbereitet

BERLIN taz | Der Freiheit einen Schritt näher kommt das Opfer eines Justizirrtums in Sachsen: Der 42-jährige Mann darf nach einem Urteil des Landgerichtes Dresden aus der geschlossenen in eine offene Psychiatrie umziehen. Raus darf der ursprünglich zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilte Mann allerdings nur mit Zustimmung des Gerichtes und in Begleitung von Medizinern. Schrittweise solle der Mann auf ein Leben in Freiheit vorbereitet werden, erklärte ein Gerichtssprecher.

Der ehemalige vietnamesische Vertragsarbeiter hatte 1993 im sächsischen Plauen zwei Landsmänner erschossen und wurde zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt. Als nach der Verbüßung von 15 Haftjahren eine Aussetzung der Reststrafe zur Bewährung geprüft werden sollte, stieß sein Anwalt Arno Glauch auf eine Reihe von Ungereimtheiten.

So hatte sich der Verurteilte in der Haft wiederholt psychisch auffällig verhalten, war aber nie von einem Facharzt untersucht worden. Der Anwalt gab psychiatrische Gutachten in Auftrag. Ergebnis: Sein Mandant litt an Schizophrenie und war zum Tatzeitpunkt nicht schuldfähig.

Der Vietnamese wurde nach der Verbüßung von 17 Haftjahren aus dem Knast in die geschlossene Psychiatrie eingewiesen und nachträglich freigesprochen. Es war das erste Mal in der sächsischen Justizgeschichte, dass ein wegen eines Kapitalverbrechens Verurteilter nachträglich freigesprochen wurde.

Gegen die Einweisung in die geschlossene Klinik hatte sein Anwalt Arno Glauch vor dem Bundesverfassungsgericht geklagt. Das nunmehr zuständige Landgericht Dresden entschied am Freitag zur „Freiheit in Raten“.

Glauch will das Urteil so nicht akzeptieren. „Ich befürworte natürlich die Therapie und die Medikamenteneinnahme. Ich halte es aber für überzogen, dass das unter Zwang geschehen soll.“

MARINA MAI