taz-Thema der Woche

Hoffentlich zum letzten Mal: Wulff

■ betr.: „Der impotente Präsident“, taz vom 4. 1. 12

Der Bundespräsident gilt als moralische Instanz, und genau diese Aufgabe ist auch bedeutend für unsere Gesellschaft. Er vertritt die Werte, die für uns alle wichtig sein sollten, und er ist es, der im Umgang mit aktuellen Fragen Courage zeigen muss. Insofern ist sein Amt, entgegen dem Kommentar von Daniel Bax, unverzichtbar. Wir brauchen einfach jemanden, der ehrlich ist, der seine Ansichten, die er nach außen vertritt, auch selbst lebt, und der sich nicht denen zu Dank verpflichtet glaubt, die ihn in seine Position gehoben haben. Hier den Richtigen zu finden, kann so schwer nicht sein. MICHAEL ROLF, Nürnberg

■ betr.: „Da ist der Wulff drin“, taz vom 4. 1. 12

Christian Wulff wird gemobbt und die Zeitungen machen voll mit. Horst Köhler hat das Amt als Präsident von einem Tag auf den anderen aufgegeben, nachdem er in der Öffentlichkeit etwas angedeutet hatte, was den Banken und der Industrie nicht passte. Vielleicht hat Christian Wulf sich geweigert, ein Gesetz zu unterschreiben, das der Industrie nützen sollte. Neulich stand das umstrittene Gesetz zur Genehmigung der Gentechnik und Patentierung von Pflanzengenen an. Die taz täte gut daran, erst zu recherchieren, bevor sie in die Kakofonie der Boulevardblätter mit einstimmt. MARK SPOELSTRA, Freinsheim

■ betr.: „Die doppelte Bigotterie“, taz vom 3. 1. 12

Mehrere Wochen schon ist das Wulff-Bashing en vogue, weil er eine „nicht nur an Aufklärung interessierte Berichterstattung“ kritisierte, sogar einen „absurden Angriff“ auf die Medien insgesamt wollte man darin sehen. Nun brachte die taz dankenswerterweise einige kritische Anfragen nach den Hintergründen dieser sogenannten Affäre. Die Bild-Zeitung hat einige längst bekannte Fakten zu einer Affäre aufgeblasen, immer wieder neue „Enthüllungen“ nachgereicht, und sie so geschickt am Köcheln gehalten; dankbare Empfänger gibt es für so etwas immer, die Finanzkrise langweilt so langsam jeden. Sollten unsere Vorfahren auf dem Hambacher Fest oder in der 1848er Revolution tatsächlich das gemeint haben, als sie für die Pressefreiheit ihren Kopf hingehalten haben? DIETER ASCHOFF, Heidelberg

■ betr.: „Der Verlierer“, taz vom 3. 1. 12

Unabhängig von den Vorwürfen, die ihm gemacht werden, und den Behauptungen, die in diesem Zusammenhang erhoben werden, stellt das Veröffentlichen einer Sprachaufzeichnung eines Anrufes auf einer Mailbox ohne seine Einwilligung eine Straftat dar. (Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes, Paragraf 201 StGB) Ich verstehe nicht, wie dies in der öffentlichen Diskussion unbeachtet bleiben konnte, denn das wiegt ungleich schwerer als die „moralischen Vorwürfe“, die an unseren Bundespräsidenten erhoben werden. Es vereinbart sich nicht mit meinem Rechtsverständnis, wenn ein derart schwerwiegender Eingriff in Grundrechte einfach so vorgenommen und geduldet wird, nur weil es sich um den Chefredakteur einer großen Zeitung handelt. DIRK ROSENBAUM, Lüdinghausen

■ betr.: „Der kriechende Präsident“, taz.de vom 4. 1. 12

Na ja, einige Erklärungen unseres Präsidenten muten schon eigenartig an. Aber keine war so seltsam wie die Behauptung von Bettina Schausten, sie würde bezahlen, wenn sie bei Freunden übernachtet.

Demgemäß sollte ein Staatsmann, der zu einer Geburtstagsfeier eingeladen wird, nur selbst mitgebrachten Kaffee und Kuchen verzehren. Ist dies vielleicht ein lebensfremder Moralismus der Politik, in dem sich Christian Wulff (selbstverschuldet) verfangen hat?

Glaubt jemand an die Möglichkeit, ein Bundespräsident, hieße er nun Wulff, Gauck oder Köhler, würde durch neue Einsichten zum entschiedenen Klassenkämpfer werden, hätte er nicht betuchte Freunde, die ihm hin und wieder mal ausgeholfen haben?

KLAUS PRIESUCHA, taz.de

■ betr.: „Drohanruf beim Chefredakteur“, taz v. 3. 1. 12

In einem Land, in dem wesentliche politische Entscheidungen von der „Reaktion der Märkte“ abhängen, in einem Land, in dem führende Politiker in den Aufsichträten von Konzernen sitzen und Lobbyisten von Unternehmensverbänden Gesetzesvorlagen schreiben, in einem Land, in dem ausgediente Politiker hoch dotierte Beraterjobs in der Wirtschaft bekommen, in einem Land, in dem die Kumpanei zwischen „Wirtschaftselite“ und „Spitzenpolitikern“ gang und gäbe ist, ist ein Präsident wie Christian Wulf genau die richtige Repräsentanz für diese Verhältnisse. ANDREAS MEYER, Kiel

■ betr.: „Bild dir deine Meinung“, taz vom 6. 1. 12

Die Berichterstattung der Medien über Christian Wulff ist völlig überzogen. Es steht außer Frage, dass er sich falsch verhalten hat und auch nichts daran ändern wird. Doch das gibt den Medien und ganz Deutschland noch lange nicht das Recht, wie auf dem Schulhof im Opferkreis alle auf ihn einzuschlagen!

Außerdem kann es doch nicht sein, dass ausgerechnet die Bild-Zeitung durch ihre gezielten Angriffe den Bundespräsidenten aus dem Amt mobben kann! Deutschland verhält sich wie bei einer Hexenjagd. SOPHIE HEPPEL, Göttingen Schülerin, 16 Jahre

■ betr.: „Bild dir deine Meinung“, taz vom 6. 1. 12

Ein neues Wort wurde mit dem neuen Jahr geboren. Vom Verbum „wulffen“ ist die Rede. In der Deutschen Sprache fehlte bisher ein Verb, das die sprachliche Grauzone zwischen lügen, schwindeln, die Wahrheit nicht sagen, Not-wendig-zu-Sagendes verschweigen präzise zum Ausdruck bringt. Dem derzeit noch amtierenden Bundespräsidenten sei es gedankt. Er hat es in seiner souveränen Art kreiert und staatstragend präsentiert. Mit wulffen lässt sich ein für Politiker und Spekulanten zum Alltagsbetrieb gehörendes Denk- und Sprach-Verhalten nun präziser bezeichnen. Wer einen anderen willentlich im Unklaren läßt, der wulfft ihn. Wulff mich nicht an, sagte die Frau zum Exfreund, als der sich wortreich zu ent-schuldigen versuchte. Und ein Sprichwort ist auch schon im Umlauf: Schlecht gewulfft, ist halb zerronnen. HELMUT M. SELZER, Pappenheim

■ betr.: „Wulff tut sich echt leid“, taz vom 5. 1. 12

Wie immer von der taz die passende Schlagzeile, die keinen weiteren Kommentar nötig macht. Trotzdem: Es ist irrelevant, ob Christian Wulff „die Verantwortung“ noch künftig gerne wahrnehmen möchte, bislang zeigte er sich „dieser Verantwortung“ nicht gewachsen. Wegen Köhler und Wulff liegt jetzt eine Art „Fluch“ auf dem Präsidentenamt. Merkel hat zweimal die Kandidaten für das hohe Staatsamt bestimmt und mit der CDU durchgesetzt, deren Kandidatur von Merkel aus machtpolitischem Kalkül betrieben wurde. Aber schon bei der Personalie CDU-Generalsekretär war Merkel gänzlich „überfordert“. Doch sie bestand jeweils auf ihren „Missgriffen“.

Merkels „Wahl“ der Kandidaten zeigt auch, dass diese CDU insgesamt ein Problem ist. Diese CDU mit ihrem „religiösen Anspruch auf Unfehlbarkeit“ fremdelt mit unseren demokratischen Entscheidungsprozessen. Das haben uns die persönlichen und „privaten“ Affären der Amtsträger mit „ruhender CDU-Mitgliedschaft“ offenbart. Obwohl ausgerechnet CDU-Politiker immer wieder neue, mitreißend schöne Worte zur Verteidigung der Demokratie sprechen, handeln sie leider überhaupt nicht danach.

Die Umfragen zeigen leider nicht, wie die Stimmung im einfachen Volk umgeschlagen ist. Ich kriege hier in meinem traditionellen CDU-Kiez Lankwitz völlig andere Signale. Hier wohnt viel „kleines Volk“, das täglich um seine Existenz kämpfen muss und darum (leider) seltener wählen geht. Der Glaubwürdigkeitsverlust trifft ausgerechnet die Kommunalpolitiker. HEIDEMARIE WÄTZOLD, Berlin

■ betr.: „Die Kanzlerin und ihr Präsident“, taz vom 5. 1. 12

Ich will nichts mehr über die sogenannte Wulff-Äffäre hören, basta! Gewisse Medien haben uns wieder einmal richtig „verarscht“. Schuld hat jedoch auch der Bundespräsident, denn wer sich zu sehr auf Kuschelkurs mit ewig hungrigen Reptilien in Form von erhoffter Hofberichterstattung begibt, darf sich auch nicht wundern, wenn er in die Futtermaschine gerät. Aber auch ein Bundespräsident darf alte Familienfreunde haben und sich von denen Geld leihen, solange keine unsaubere Verquickung mit Amtsgeschäften vorliegt. Er hat sich etwas tölpelhaft verhalten, für mich eher fast sympathisch. Es gibt jedoch überhaupt keine illegal gearteten Transaktionen, das ist nunmehr klar. Die Medien sollten endlich wieder zu den wichtigen Themen zurückkehren, wie geht es weiter mit dem Kapitalismus, mit Wachstum und Klimawandel! JÜRGEN SCHIERHOLZ, Bremen

■ betr.: „Um den Präsidenten wird es einsam“, taz vom 4. 1. 12

Abgesehen davon, ob ich mit diesem Präsidenten zufrieden bin oder nicht, sollten ihm doch auch Möglichkeiten zur Verfügung stehen, wie anderen Leuten auch, die von der Presse befragt werden. Das heißt, er sollte die Möglichkeit haben, ein Gespräch/Interview vor der Veröffentlichung auf eventuelle Fehler zu korrigieren.

Mag sein, dass er gedroht hat, als er auf die Mailbox gesprochen hat. Aber niemand weiß bisher, ob es stimmt oder worin die Drohung bestand und was genau er zu beanstanden gehabt hätte. Der Wortlaut der Mailbox-Nachricht ist nirgendwo nachzulesen. Die gesamte übrige Presse stützt sich offenbar ausschließlich auf eine Bild-Nachricht, verbreitet das Ungefähre als Tatsachenbehauptung und sieht die Pressefreiheit bedroht. Wenn das nicht komisch ist. Allerdings wirkt die Häme, mit der hier nahezu einhellig auf eine Person eingedroschen wird, inzwischen schon ekelhafter als der möglicherweise gerechtfertigte Anlass. HELKE SANDER, Dähre

■ betr.: „Der kriechende Präsident“, taz.de vom 4. 1. 12

Wenn fast alle Zeitungen das Gleiche schreiben, womöglich voneinander abschreiben, dann stimmt was nicht. Sebnitz war warnendes Beispiel. Auch damals war Bild entscheidend beteiligt. Kaum war das Interview mit Wulff beendet, da kursierten schon wenige Sekunden später erste Kommentare durch die Netzwelt. Die waren wohl schon vorbereitet. Wie wollen denn solche Journalisten, deren Urteil als Meinung verpackt schon vorher feststeht, noch unvoreingenommen über ein Staatsoberhaupt berichten?

Im Vergleich zu den Verfehlungen anderer Staatsoberhäupter („Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Neger“, private Vorteilsnahmen im Amt durch Freiflüge, Sexbeziehung zur Praktikantin usw.) sollte man statt gnadenloser Härte auch mal menschliche Milde walten lassen. Jede/r – sogar der Betroffene – weiß doch längst, dass derartiges Verhalten nicht in Ordnung war. Eines Präsidenten schlicht unwürdig. Er bat gestern wiederholt um Entschuldigung. Hat keiner hören wollen. Bild will ihn „hängen“ sehen, vermutlich wie die ganze mit gleicher Feder schreibende Springer-Presse. Aber diese komische Einheitsfront von taz und Bild ist bedenklich!!! Lothar, taz.de

„Was mir fehlt zum Verstehen der ganzen Affäre: Was mag der tiefere Grund gewesen sein, dass es überhaupt eine wurde? Wieso kamen die Details über Wulffs Kredite ans Licht, wurde so etwas – ohne Not? – überhaupt öffentlich?

Wer könnte Merkel schaden wollen und Wulff obendrein: schließlich einer, der sich in anerkannter und bemerkbarer Weise für Zugehörigkeit von Islam und Moslems zu Deutschland positioniert hatte, während andere die höchst anstößigen Geheimdienste eine höchst zweifelhafte Arbeit tun ließen und darüber wachten, während wirkliche Skandale von ernster Bedeutung für die Freiheit in diesem Land passierten. Da fehlt mir bei all den vielen Berichten und Kommentaren einiges an Plausibilität!“ Fragen des taz.de-Lesers Reimar Menne