„Entlarvung von Simulanten“

Arbeitsmediziner vergeben heute den E. W.-Baader-Preis. Doch Ernst Wilhelm Baader hat eine Nazi-Vergangenheit

„Als Ärzten erwächst uns aber die Pflicht angesichts des zunehmenden Missbrauchs unserer Sozialgesetze, den Versicherungsbetrügern und insbesondere den Simulanten gewerblicher Berufskrankheiten … mit Mut und Unerbittlichkeit entgegenzutreten.“ Dies schrieb der Arbeitsmediziner Ernst Wilhelm Baader über seine Berufsauffassung. Das war 1934.

Heute ist der Name Baaders mit einer Auszeichnung verbunden: dem E.W.-Baader-Preis. Er ist in diesem Jahr mit 10.000 Euro dotiert und wird an Nachwuchswissenschaftler für hervorragende Arbeiten in der Arbeitsmedizin verliehen – auf der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin (DGAUM), die gestern in Bochum begann.

Für Peter Röder von der Initiative kritischer Umweltgeschädigter (IKU) ist der Preis bezeichnend für die heutige Arbeitsmedizin. Der Grund: Auch heute noch werden Menschen, die im Beruf wegen giftiger Arbeitsstoffe erkranken, oft als Simulanten verdächtigt. Eine Anerkennung der Berufskrankheit vor Gericht ist schwierig. Die als Gutachter beauftragten Ärzte urteilten in der Vergangenheit vielfach nicht im Sinne der Betroffenen – zum Beispiel bei Erkrankungen durch Lösemittel (taz vom 16. März). Deshalb sagt Röder: „Die DGAUM sollte sich von Baader und dem von ihm vertretenen Gedankengut distanzieren.“

Anlass genug, die Biografie Baaders genauer anzusehen. Der Arbeitsmediziner wurde 1925 Leiter der ersten klinischen Abteilung für Gewerbekrankheiten in Deutschland. 1934 wurde er zum Professor ernannt. Er war jetzt Leiter des Universitätsinstituts für Berufskrankheiten im Städtischen Krankenhaus Neukölln. Nach dem Krieg gründete er in Hamm die knappschaftliche Klinik für Berufskrankheiten. 1962 starb er mit 70 Jahren. Bekannte Werke Baaders sind „Gewerbekrankheiten“ und „Handbuch der gesamten Arbeitsmedizin“. Das war Baader, der Berufsmediziner.

Daneben existierte Baader, der Nationalsozialist. Er trat zwischen 1933 und 1936 in die NSDAP ein und offenbarte in mehreren Publikationen nationalsozialistische Einstellungen, unter anderem in einem Aufsatz über die „Entlarvung von Simulanten gewerblicher Krankheiten“ von 1934. In der Zeitschrift Das junge Deutschland, die ihn als beratenden Internisten der Hitler-Jugend auswies, lobte Baader 1935 „ein keckes, frisches, frohes Geschlecht, das in den braunen Bataillonen der HJ … heranwächst“. Auch profitierte er vom Antisemitismus: Die Position des Direktors am städtischen Krankenhaus Neukölln übernahm er, nachdem ein jüdischer Kollege entlassen wurde. Im Krieg war Baader Militärarzt, teilweise in frontnahen Lazaretten. Aus diesem Lebensabschnitt ist wenig bekannt.

Angesichts der bisherigen Veröffentlichungen scheint es allerdings angebracht, zu Baader eine kritische Distanz zu wahren. Und kritische Stimmen gibt es auch unter den Arbeitsmedizinern. So schrieb die Professorin Gine Elsner aus Frankfurt am Main im Jahr 2000 einen Artikel, in dem sie die nationalsozialistischen Bekenntnisse Baaders zusammenstellte. Anlass war das Baader-Jahr, das die DGAUM damals feierte. „Wie viele andere Ärzte war Baader tief in die Nazi-Ideologie verstrickt“, sagt Elsner. „das darf man nicht einfach unter den Teppich kehren.“

Die DGAUM indes sieht, nach ihren bisherigen historischen Recherchen, keinen Grund, sich von Baader und dem Baader-Preis zu distanzieren – so ihr Präsident Professor Klaus Scheuch aus Dresden. Er verweist auf zwei Stellungnahmen: Darin räumt die DGAUM zwar problematische Punkte in Baaders Vergangenheit ein, bewertet sein „großes wissenschaftliches Werk“ jedoch höher.

Wenn die DGAUM Konsequenzen ziehen wollte, so steckte sie ohnehin in einem Dilemma. Denn die E.W.-Baader-Stiftung, die den Preis vergibt, wurde von Baader selbst mit einem Vermögen ausgestattet – per testamentarischer Verfügung. Umbenennen lässt sich der Preis da wohl nicht. Doch die DGAUM muss sich zum Beispiel fragen lassen, ob der Preis unbedingt auf ihrer Jahrestagung vergeben werden muss – und ob sie auch künftig noch einmal ein ganzes Baader-Jahr feiern wird.BRITTA BARLAGE

www.bk1317.de (Initiative kritischer Umweltgeschädigter), www.dgaum.de