Werber auf Abwegen

Der neue Justizsenator wird in der Regierung auch in anderen Ressorts mitreden wollen

Berlin hat einen neuen Justizsenator – einen, der für viele deshalb geeignet ist, weil er seit seinem Studium mit Jura nicht allzu viel zu tun gehabt hat. Denn der Vorgänger des designierten neuen Senators Thomas Heilmann (47) stürzte im Dezember nach nur 13 Tagen im Amt darüber, dass er als Notar in dubiose Geschäfte mit sogenannten Schrottimmobilien verstrickt war. Heilmann hingegen interessierte sich schon vor seinem zweiten Jura-Staatsexamen für anderes mehr als für Paragrafenwerke und Rechtskommentare. Er gründete 1990 mit anderen die renommierte Werbeagentur Scholz & Friends und ist an Dutzenden von Unternehmen beteiligt.

So einer geht nicht in die Politik, damit er auf diesem Weg einen Dienstwagen bekommt. Das könnte Heilmann quasi aus seiner Portokasse zahlen. Der Gegenwert für weniger Zeit mit der Familie – Heilmann hat vier Kinder – und den Zwängen einer Behörde oder Partei ist für ihn etwas anderes: der Reiz, etwas verändern zu können. Bei der Berliner CDU hat er das in kürzester Zeit reichlich getan. Vor weniger als drei Jahren holte ihn der damals neue Landesvorsitzende und heutige Innensenator Frank Henkel als Parteivize.

In dieser Zeit brachte Heilmann die CDU unter anderem auf einen liberaleren Kurs in der Integrationspolitik. Dabei prägte er den Satz „Wir brauchen den Islam. Und sollten ihn nicht bekämpfen“ – lange bevor der Bundespräsident dieses Thema entdeckte. Heilmann entwickelte die Wahlkampfstrategie der CDU und überzeugte sie davon, ihr Wahlprogramm öffentlich via Internet mitgestalten zu lassen.

Zwangsläufig galt er dadurch als möglicher Minister, als sich der CDU nach dem Scheitern rot-grüner Koalitionsverhandlungen im Oktober plötzlich die Chance bot, mitzuregieren. Justiz tauchte dabei nicht auf – für Heilmann, der gern mit Verbindungen zu Kanzlerin Angela Merkel und internationalen Größen kokettiert, schien nur ein Ressort mit großen Gestaltungsmöglichkeiten infrage zu kommen.

Dass Heilmann nun dennoch Justiz- und Verbraucherschutzsenator werden soll, gilt manchem als Lückenbüßertum. Doch dafür ist Heilmann zu wenig Parteisoldat. Näher liegt, dass er gemerkt hat: Von außen kann ich da nicht mitreden – und mitreden wollte er. Seine künftigen Kollegen im Senat können sich darauf einstellen, dass sich seine Interessen nicht auf sein eigenes Ressort beschränken.

STEFAN ALBERTI