LESERINNENBRIEFE
:

Armselige Untertanen!

■ betr.: „Schamanen erzählen schmutzige Witze“ u. a.,sonntaz vom 1. 1. 12

Es mag sein, dass Alkohol dum(m)pfer macht und eine Legalisierung von Drogen zu mehr Lebensqualität in Ländern wie Mexiko oder Nicaragua führen kann. So weit folge ich und denke, dass Konsumländer hier Verantwortung übernehmen müssen. Wo es mir aber die Haare zu Berge oder im Nacken kräuselt, ist euer Interview mit dem Schamanen. Habe ich da „verboten“erweise etwas überlesen, oder darf dieser Herr tatsächlich behaupten (ich drehe das mal sinnhaftig so herum), dass Menschen mit LSD und Marihuana-Konsum sich gegenüber der „Obrigkeit“ als positiv-gesellschaftlich darstellen? Mir graut’s! Und die armen Arbeiter, die ihren Alltag nur noch per Drogenrausch ertragen können. Armselige Untertanen!

Es gibt wohl nur wenige Länder, in denen der Einzelne über eine so große Auswahl an Entwicklungsmöglichkeiten verfügt wie hier bei uns. Und das sagt kein Akademikerkind, dem der platinierte Löffel noch im Gaumen steckt, sondern das Arbeiterkind aus dem bayerischen Dorf, das sich über den zweiten Bildungsweg und reichlich Bafög geistig entwickeln durfte, zum Hochschulabschluss und zur beruflichen Selbständigkeit. Weder Zigaretten, Alkohol oder sonstige Drogen/Medikamente waren auf dem Weg nötig noch bedurfte es dieser.

Vielleicht sollte Herr Rätsch bei nächster Gelegenheit unterm Baum noch mal über die „Obrigkeit“ sinnieren. Kann sein, dass dann doch noch ein paar Scheuklappen fallen.

ANJA HADAMEK, München

Alltag im deutschen Fernsehen

■ betr.: „Mit dem Zweiten sieht man doppelt“, taz vom 31. 12. 11

Weniger staatliche Regulierungswut? D’accord. Aber der Schutz der Kinder hat Vorrang. Verantwortungsbewusste Eltern wollen nicht, dass bei dem mit ihren Gebühren finanzierten Fernsehen für Suchtverhalten geworben wird! Die Starschauspieler der total „verqualmten“ 40er- und 50er-Jahre Hollywood-Filme haben kürzlich eingeräumt, dass sie von der Zigaretten- und Alkoholindustrie missbraucht wurden. Auch heute geht es den Produktionsfirmen (Degeto und Co.) bei immer stärkeren Sparmaßnahmen bei ARD und ZDF naturgemäß darum, trotzdem Gewinne zu machen. Hier kommt das „Schmuddelkind“ Zigarettenindustrie ins Spiel, mit sicher nicht zu knappen Zuwendungen. Die Zigarette ist immer groß im Bild, ein Kommissar bietet einem Verdächtigen das Rauchen in einer Amtsstube an, ständige Thematisierung: „Ich habe mir gerade das Rauchen abgewöhnt“ oder „Ich bin leider rückfällig geworden“; einem Kommissar wird am frühen Morgen ein Whiskey angeboten, im Dienst usw. Alltag im Deutschen Fernsehen. Hallo, geht’s noch? Hier geht es um nichts anderes, als das Rauchen und den Alkoholverzehr in psychischen Grenzsituationen als völlig normal darzustellen.

Um es klar zu sagen, Frau Zylka: Ob Sie sich die Spritze setzen, sich volllaufen lassen (solange Sie andere nicht anpöbeln) oder auch im Privatbereich rauchen, ist mir im Grunde egal. Anders sieht es aus, wenn Sie mich in der Öffentlichkeit mit Qualm belästigen und (nachgewiesenermaßen) meine Gesundheit gefährden.

RAINER KUHLMANN, Overath

Besoffen und bekifft = realitätsnah

■ betr.: „Mit dem Zweiten sieht man doppelt“, taz vom 31. 12. 11

Quintessenz dieser zeitgeistig-schlauen Kritik am deutschen (öffentlich-rechtlichen) Fernsehprogramm ist also nach Ansicht der Autorin Jenni Zylka: Je besoffener und bekiffter die Protagonisten und je nikotingeschwängerter die Atmosphäre – natürlich nach amerikanischem Vorbild –, desto höher die Qualität, weil realitätsnah. Einen blödsinnigeren Artikel habe ich – in der taz – noch nicht gelesen. Ihrer Autorin ist mal eine „Kur“ als ehrenamtliche Helferin in einer Suchttherapiestation oder im Hospiz zu empfehlen – da „tobt“ das wahre Leben … HARALD GARZKE, Hamburg