Janssen’s Kapital

PORTRÄT Bremens Naturschutz-Pionier Gerold Janssen sagt dem Bankhaus Neelmeyer den Kampf an. Der 86-Jährige fühlt sich falsch beraten und fordert sein Geld zurück

Das Hollerland im Norden und Osten Bremens ist ein Feuchtgebiet. Ursprünglich 400 Hektar groß, umfasst es heute 293 Hektar.

■ 1978 plant der Senat dort die „Hollerstadt“, ein riesiges Wohngebiet. Gründung der „Bürgerinitiative zur Abwehr der Hollerstadt“.

■ 1981 setzt sich die BI durch, die Hollerstadt-Pläne werden begraben und 270 Hektar als Naturschutzgebiet ausgewiesen.

■ 1989: Der Hollerland-Kompromiss. Ein Teil der Fläche wird bebaut. Der Rest: Naturschutzgebiet.

■ 1996 will die CDU den Technologiepark ins Hollerland erweitern.

■ Seit 2004 sind Eingriffe tabu: Dank des Schlammpeitzgers wird es zum FFH-Gebiet erklärt. (gkw)

VON GESA KOCH-WESER

Gerold Janssen wird kämpfen. Als Kämpfer wurde er bekannt – Ende der 70er ging der Umweltaktivist für die Erhaltung des Hollerlandes auf die Straße. Jetzt kämpft Gerold Janssen gegen das Bankhaus Neelmeyer. Falsche Beratung wirft er dem Bremer Geldinstitut vor. Für 72.000 Euro habe man ihm „abgesicherte Zertifikate“ verkauft – die Hälfte seines Kapitals habe er dadurch verloren. Der Neelmeyer-Vorstand bestreitet Sachverhalt und Vorwürfe.

Ein Großverdiener war Janssen nie. Sein Vermögen stammt aus seinen Tätigkeiten als Prüfer von Schifffahrtsgesellschaften und als Deichhauptmann. Sein Lebenswerk ist nicht sein Erspartes. „Gerold hat dem Naturschutz in Bremen ein Gesicht gegeben“, sagt der Landesgeschäftsführer des BUND, Martin Rode. Er beschreibt seinen Freund und Nachbarn als jemanden, „der den Mut hat, nach vorne zu treten, seine Stimme zu erheben und nicht zu weichen“. Als „Speerspitze einer Bewegung, die es so noch nicht gab“. Gerold Janssen ist jetzt 86. Seine Erfolgsgeschichte begann vor 31 Jahren.

1978: Bremen ist dem Bauwahn verfallen. Der Plan: Auf dem 400 Hektar großen Hollerland soll die „Hollerstadt“, eine gigantische Wohnanlage für rund 50.000 Einwohner, entstehen. Die Gegner: Die „Bürgerinitiative zur Abwehr der Hollerstadt“. Ihr Gründer: Gerold Janssen. Er und seine Mitstreiter demonstrieren, mobilisieren, agieren. Sie kämpfen für das Hollerland, gegen die Pläne der „Betonköpfe“ – und gewinnen. Schon 1981 werden 270 Hektar des Hollerandes als Naturschutzgebiet ausgewiesen. 1989 kommt es dann zum „Hollerland Kompromiss“: Man einigt sich auf eine ökologische Wohnbebauung des „Hollergrunds“ nahe der Lilienthaler Heerstraße. Das Naturschutzgebiet wird erweitert. Sieben Jahre später will die mitregierende CDU das Hollerland erneut anknabbern: die Feuchtwiesen sollen dem Technologiepark weichen. Die schützende EU-Richtlinie „Flora Fauna Habitat“ und ein Fisch namens Schlammpeitzger helfen Janssen letztlich, die Pläne niederzuschmettern.

Janssen sitzt auf einem weißen Plastikstuhl auf seiner Terrasse, mit Blick auf den wachsend grünen Garten. „Mir ist es gelungen, aus Gegnern Freunde zu machen“, sagt er. „Das ist mein Erfolgsgeheimnis.“ Efeu krabbelt über den Boden, rosarote Rosen verblühen langsam, an der Grenze des Grundstücks erheben sich mächtige Hainbuchen. Wenn Janssen von seinem Naturreich erzählt, von den sechs Eichhörnchen, die letztes Jahr hier geboren wurden, oder vom weißlatzigen Kätzchen Mieke, dann blitzen seine graublauen Augen, sein Mund bewegt sich schnell, die Worte fliegen. Doch wenn er über den Krach mit Neelmeyer spricht, scheint er in sich zusammenzufallen. Dann redet er langsam. Macht Pausen. Sucht nach den richtigen Begriffen. Wenn ihm ein Wort nicht einfällt, stützt er seinen Kopf in die faltigen Hände. „Gleich kommts“ sagt er dann. Meistens kommt es nicht. Seit dem Tod seiner Frau Fenna im Jahr 2006 ist das so, sagt Janssen. Seitdem ist sein Leben „nur noch die Hälfte wert“.

Damals, im Februar 2006, soll Fenna operiert werden, am Darm. „Eigentlich keine große Sache“, so Janssen. Doch die Lage verkompliziert sich, Fenna fällt ins Koma, ihre Organe versagen. Janssen glaubt an einen Ärztefehler und klagt. Das Krankenhaus St. Joseph Stift bestreitet das, zahlt ihm aber trotzdem 30.000 Euro. Nach dem Tod seiner Frau fällt Janssen in ein tiefes Loch, leidet an schweren Depressionen.

„Ich kämpfe, um mein Elend zu vergessen“, sagt Janssen heute. „Ohne Kampf würde es mir viel schlechter gehen. Das ist immer so gewesen.“ Das ist die Kraft, die ihn auch jetzt wieder auf die Straße treibt – in eigener Sache. 2007 nimmt Janssen finanzielle Umstrukturierungen vor. Sein Berater bei der Neelmeyer Bank habe ihm damals empfohlen, seine Aktien auszutauschen, so Janssen. „Fünf verschiedene Zertifikate hat er mir aufgeschwatzt.“ Deren Bedeutung sei Janssen nicht klar gewesen, man hätte ihm die Sicherheit der Zertifikate schriftlich garantiert, sagt er. Daran, dass sein Bankberater ihn über mögliche Verlustrisiken aufgeklärt hätte, erinnert Janssen sich nicht. Nun sei von angelegten 72.000 Euro nur noch die Hälfte übrig. Janssen klagt gegen die Bank. Zusammen mit Lehman- und Citibank-Geschädigten steht er Ende Juni vor der Neelmeyer-Filiale am Marktplatz. Janssen läuft gekrümmt, wirkt zerbrechlich. Ein großes Schild hat er sich um den Hals gebunden: „Verraten und verkauft durch Bankhaus Neelmeyer AG“. Der Bankvorstand lässt sich direkt auf ein Gespräch mit Janssen und einem Anwalt ein.

„Der Sachverhalt, den Herr Janssen schildert, ist falsch“, sagt Neelmeyer-Vorstand Christoph Raithelhuber jetzt. Auch der behauptete Schaden entspreche nicht der Wahrheit. Zudem habe die Sache „nun eine unschöne Wendung eingeschlagen“, so Raithelhuber. „An dem Tag, an dem wir uns Herrn Janssens Fall annehmen wollten, ist seine Klage gegen die Neelmeyer-Bank bei uns eingetroffen.“ Jetzt kümmere sich der Anwalt um den Fall. Detaillierter möchte sich das Vorstandsmitglied nicht äußern. Gerold Janssen wird kämpfen.