„Aufstand ist der einzige Weg“, sagt Elinor Sisulu

Südafrikas verfehlte Politik gegenüber Simbabwes Herrscher Mugabe

taz: Südafrikas Präsident Thabo Mbeki hat die Wahl in Simbabwe bereits als frei und fair beurteilt …

Elinor Sisulu: … noch bevor die Wahlbeobachter im Flugzeug saßen. Für mich ist das unerklärlich. Damit hat Mbeki die vielen Simbabwer verletzt, die Opfer von Folter und Gewalt wurden.

Mbeki sagt, dass er innerhalb der simbabwischen Regierungspartei Zanu-PF einen moderaten Flügel stärken will.

Solche Versuche sind ein Fehler – ein moderater Flügel existiert dort nicht. Ich kenne genügend Leute innerhalb der Partei, die sich privat gegen das Regime aussprechen. Aber sie könnten sich niemals öffentlich dazu bekennen oder etwas tun. Mugabe weiß, dass ihn innerhalb der Partei niemand herausfordern kann. Er will um jeden Preis an der Macht bleiben. Für den eigenen Machterhalt tut er einfach alles, er lässt Menschen hungern, er lässt töten. Ich fürchte mich dabei sogar eher noch vor einer Zanu-PF ohne Mugabe. Wenn ein Diktator ohne Nachfolgeplan abgesetzt wird, gibt es Chaos, weil ein Vakuum entsteht.

Warum unterstützen ihn auch die Regierungen in den anderen Staaten des südlichen Afrika?

Die SADC-Staaten, also die Länder der Entwicklungsgemeinschaft des südlichen Afrika, besitzen nicht gerade Modelle einer gut funktionierenden Demokratie. Und wer selbst im Glashaus sitzt, wirft eben nicht gern mit Steinen.

Aber gerade Südafrika macht sich für die Entwicklung in Südafrika stark und fordert bessere Regierungsarbeit auf dem Kontinent, zum Beispiel im Nepad-Plan, der neuen Partnerschaft für Afrikas Entwicklung.

Das ist Thabo Mbekis größter Widerspruch. Die im Nepad-Plan aufgeführten Grundsätze sind sehr klar, und Simbabwe reicht da bei weitem nicht heran.

Was hat Sie an Simbabwes Politik so interessiert, dass Sie während Ihrer Jahre dort sogar Mitglied der Zanu-PF waren?

1980, als Mugabe Präsident wurde, war ich eine junge Geschichtsstudentin und von der wundervollen Zeit der Befreiung fasziniert. Wir hatten alle von den revolutionären Helden des Befreiungskampfes gelesen. Aufgewachsen im weißen Siedlerstaat Rhodesien und natürlich mit der Apartheid im Nachbarland Südafrika – für meine Generation war dieser Umbruch entscheidend.

Hat es denn damals schon Anzeichen gegeben, dass Simbabwe politisch derart abgleiten könnte?

Siedlerstaaten sind naturgemäß faschistisch, um überleben zu können. Das ändert sich nicht automatisch mit der Unabhängigkeit. Südafrika ist da die große Ausnahme. Ohne demokratische Institutionen kann man das Erbe der Vergangenheit nicht überwinden. In der Hinsicht hat Mandela mit Mbekis aktiver Unterstützung in Südafrika viel geleistet, manches gegen den Willen des Volkes. Gäbe es heute in Südafrika ein Referendum, hätten Schwule und Lesben keine Rechte und die Todesstrafe würde eingeführt. All das hat in Simbabwe nicht stattgefunden. Deswegen bin ich ja so niedergeschlagen, dass Südafrika in der Frage der Menschenrechte eine so andere Haltung gegenüber Simbabwe einnimmt.

Warum haben Sie Ihr „Krisenkomitee Simbabwe“ in Südafrika aufgebaut?

Der Hauptgrund ist der politische Freiraum, den wir in Südafrika genießen. Meinungs- und Versammlungsfreiheit zum Beispiel sind Grundrechte, die in Simbabwe mit Füßen getreten werden. Ich arbeite mit Opfern von Gewalt, weil ich nicht in meiner Mittelklasse-Bequemlichkeit sitzen und den Rest ignorieren will. Viele Simbabwer in Südafrika sind gut ausgebildet, schicken Geld nach Hause, bauen dort Häuser. Das ist nicht genug.

Ich glaube, die Diaspora der Simbabwer kann eine wichtige Rolle spielen, in der Heimat etwas zu verändern. Der südafrikanische Gewerkschaftsverband hat sich zum Beispiel durch den Lobbyismus seiner Mitglieder, die aus Simbabwe kommen, auf ihre Seite gestellt. Wären die Simbabwer hier besser organisiert, wäre ihr Einfluss vielleicht schon größer.

Was muss passieren, damit sich etwas ändert? Der katholische Erzbischof von Bulawayo in Simbabwe, Pius Ncube, spricht von Aufstand.

Leider ist das der einzige Weg. Nur dann wird die SADC aufwachen. Traurigerweise ist es wahr: Erst wenn Menschen in großer Anzahl umgebracht werden, ist es der Beginn der Veränderung.

Glauben Sie, dass es in Simbabwe tatsächlich so weit kommen könnte?

Ich weiß nicht. Aids, die Unterernährung, einfach der tägliche Kampf ums Überleben, das kostet schon genug Kraft.

FRAGEN: MARTINA SCHWIKOWSKI