Baustellen-Razzia im kleinen Stil

Mit einer Kontrollaktion auf über 30 Großbaustellen im Ruhrgebiet will die Landesregierung gegen mafiöse Strukturen vorgehen. Die Gewerkschaft IG Bau hält das Vorgehen der Politik für halbherzig

VON NATALIE WIESMANN

Die Landesregierung plant einen Coup gegen illegale Arbeit und Lohndumping auf Baustellen im Ruhrgebiet. Landesweit sollen in den kommenden sechs Wochen 100, im Revier 30 bis 35 Baustellen von den Staatlichen Ämtern für Arbeitsschutz im Revier kontrolliert werden. Die beauftragten Behörden sind jedoch nicht zuständig für das Aufspüren von illegalen Arbeitern, die für einen Appel und ein Ei den ganzen Tag schuften.

„Wir kontrollieren nur die Arbeitsschutzregelungen“, sagt Bernhard Varnskühler vom Staatlichen Amt für Arbeitsschutz in Essen. Zu den Aufgaben seiner Mitarbeiter gehöre auch, dass sie prüften, ob zu lange gearbeitet werde. Für das Aufspüren von Billigarbeitern aus Osteuropa sei die dem Zoll unterstellte Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FSK) zuständig. „Was die Mindestlöhne betrifft, ist das eine Sache zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer“, sagt er. Besonders groß sei die Aktion nicht angelegt worden: „In NRW gibt es etwa 10.000 Baustellen an einem Tag, wir führen nur eine kleine Stichprobe durch“, sagt er. Heute fangen Varnkühlers MitarbeiterInnen an, die ersten Baustellen in Essen, Mülheim, Oberhausen und am Niederrhein zu überprüfen.

Friedrich Lorenz, Leiter des Staatlichen Amtes für Arbeitsschutz in Dortmund, will erst in ein paar Tagen zuschlagen. „Mein Personal ist teilweise noch im Urlaub“, sagt er. Er gibt zu, dass das Land für die Kontrolle nicht viele Mitarbeiter zur Verfügung hat: Sein Amt ist für Bochum, Dortmund, Hagen, den Ennepe-Ruhr und den Märkischen Kreis zuständig. „Unsere Aktion soll vor allem Signalwirkung haben“, sagt Lorenz. Freuen würde er sich schon, wenn sein Amt auf nur einer der Großbaustellen aufräumen könnte.

Die Landesregierung glaubt, dass ihre Aktion weitreichende Folgen haben kann: „Wir arbeiten eng mit den Hauptzollämtern zusammen“, sagt Barbara Löcherbach, Sprecherin des NRW-Arbeitsministeriums. Wenn die MitarbeiterInnen der Staatlichen Ämter für Arbeitsschutz bei ihren Kontrollen einen Verdacht auf Schwarzarbeit hegten, könnten sie dies direkt weiterleiten.

Die Gewerkschaft IG Bau hält die Kontrollen der Behörden für halbherzig: „Ich habe den Eindruck, dass die Politik nicht wirklich ein Interesse daran hat, Schwarzarbeit und Lohndumping im großen Stil zu bekämpfen“, so Arno Haas, Geschäftsführer des Bezirksverbands Bochum-Dortmund. „Es werden dort nur die Ärmsten der Armen aufgegriffen“, sagt der Gewerkschafter. Er halte nichts davon, dass Arbeiter aus ärmeren Ländern für ihren Versuch bestraft würden, ihre Familie zu ernähren. Haas wünscht sich, dass die eigentlich Verantwortlichen härter bestraft werden: „Die Unternehmen müssen enteignet werden“, sagt er. Firmen, die mehrmals dadurch auffielen, dass sie Schwarzarbeiter engagierten oder weniger als den Mindestlohn bezahlt bekämen, sollten seiner Meinung nach ihre Lizenz als Unternehmer verlieren. „Nur dann würde sich wirklich was tun“, sagt er.

Doch der Politik traut der Gewerkschafter in diesem Punkt nicht viel zu. Gerade bei öffentlichen Aufträgen reagierten die Kommunen meistens nicht auf die Hinweise der Gewerkschaft, obwohl sie die Bauleitung inne hätten. „Wir erwarten außerdem intensivere Kontrollen“, sagt Haas. Wenn auf dem Papier stehe, dass jemand acht Stunden arbeite für einen vertretbaren Lohn, heiße das gar nichts. „Viele arbeiten dann dafür in Wirklichkeit 60 bis 70 Stunden die Woche und werden unterbezahlt.“