Fetisch, Rauchen und Sex

Prunksters (24) – die wöchentliche Kolumne aus den USA von Henning Kober. Heute: Leon, der Profi

Ein anderer Abend bei Amoeba-Music. Auf dem Boden sortiert Leon Alben. Will unbedingt, dass ich etwas von den Beach Boys mitnehme. Weil: „Niemand hat die Farben von Kalifornien besser gemalt.“ Leon ist 20 und selbst ziemlich bunt, sein weißes Hemd voll mit Klecksen, rot, grün, gelb. Er trägt Jeans, selbstverständlich zerrissen an den Stellen, und schwarze Kopfhörer um den Hals. Die Augen leuchten groß wie Teller, sein Kiefer kaut Stress. Der junge Mann will was erzählen. Aber erst kaufen wir.

Der Supermarkt heißt „Whole Foods“, grünes Essen. Die Auswahl wie allerorten endlos. Peroni ist gut. Crème Brulée auch. Ein Taxi fährt uns runter an den Handcock-Park. Wir sitzen auf dem Dach einer Apartmentburg, das Jacuzzi blubbert. Orange reflektiert das Licht der Stadt in den dunstigen Himmel. Hören Musik aus dem iBook. Macy Playground spielt „Sex and Candy“.

„Ist das die Hölle?“, fragt, sagt Leon und zieht gierig am Filter seiner Newport zwischen den Lippen. „Aus L. A. raus gibt es keinen Weg. Der Himmel hängt so tief und dicht, wie eine Decke. Wie auch immer, klar kommen oder springen.“ Was Leon zu einem Helden macht, unter anderem, ist sein großer Musikgeschmack. Velvet Underground, Bob Dylan, Pink Floyd und die Beach Boys sind seine Ersten. Sein Apartment verlässt er kaum. „Nur um schnell Geld zu verdienen. Draußen ist für mich ein permanentes Scary Movie.“ Sonst hört er Musik. Die Klänge kämpfen ihn durch den Tag. Er könnte ein guter Musikproduzent werden.

Es ist Leons erstes Jahr Los Angeles. Aufgewachsen ist er eine Stunde nördlich, in einer kleinen Stadt. „Meine Eltern bauen da gerade ein Zwei-Millionen-Dollar-Haus in einem bewachten Viertel. Sie kommen mit meinem Lebensstil nicht klar. Ich meine, heterosexuell ist so 90er. Aber die beiden sind Mormonen, und mich zu vergessen, schmerzt sie offenbar weniger.“ Elliot Smith singt „Miss Misery“. Leon ist am Telefon, diskutiert über Musik. Spricht aber mit einem Klienten. „Du weißt jetzt, was ich arbeite? Nein, Rent-Boys arbeiten auf der Straße, ich bin ein Profi.“ Der Kunde aus Little Rock möchte ihn für das Wochenende einfliegen. „Hat mich in einem Film gesehen. Fetisch, Rauchen und Sex. Du sitzt da, rauchst, zwischen deinen Beinen ein Typ, manchmal auch Frauen. Im Winter ist es schrecklich kalt, gedreht wird in Garagen. Übler als Bürgerkind ist es nicht“. Leons Lieblingswort heißt „Perspicacity“. Klingt schön und bedeutet: Scharfsinn.

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