Standesbeamte als Rechercheure

Mit einer Verschärfung des Ausländerrechts will Österreichs Regierung vor allem gegen „Scheinehen“ vorgehen. Bei Heirat gegen Geld droht ein Jahr Haft

WIEN taz ■ David J. aus Nigeria spricht jeden Tag österreichische Frauen an. Lässt sich eine mit dem Asylbewerber ein, fragt er sie bald, ob sie ihn nicht heiraten wolle. Für Tausende Ausländer, die ohne gültige Papiere in Österreich leben oder keine Aussicht auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung haben, ist die Ehe der einzige Weg, zu bleiben und eine Arbeitsgenehmigung zu bekommen. Manche sind auch bereit, viel Geld zu zahlen.

Professionelle Heiratsvermittler machen einen guten Schnitt. Wie viele „Scheinehen“ geschlossen werden, können auch Experten von der Fremdenpolizei nur mutmaßen. Rund 6.000 Ehen mit zumindest einem ausländischen Partner wurden 2004 in Wien geschlossen. Von plus/minus eintausend „Scheinehen“ jährlich geht man aus. Etwa 500 Paare landeten mit diesem Vorwurf vor Gericht. Rund 200 Personen wurden deswegen abgeschoben. Die österreichischen Partner mussten bisher keine Konsequenzen fürchten.

Das soll sich jetzt ändern. Der Entwurf zum neuen Fremdenpolizeigesetz, der seit Anfang März beraten wird, droht jenen, die für Geld heiraten, um dem Partner zum legalen Aufenthalt zu verhelfen, mit einem Jahr Haft. Das Strafmaß für das gewerbsmäßige Vermitteln von „Anscheinehen“, wie sie heißen sollen, wird auf drei Jahre verdreifacht.

Wenn die Novelle so beschlossen wird, werden künftig nicht nur Fremdenpolizisten in den Schlaf- und Badezimmern schnüffeln. Auch die Standesbeamten sollen bei heiratswilligen Ausländern recherchieren, ob es sich um echte Liebe handelt.

Verschärft werden auch das Asylrecht sowie das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, dessen Entwurf gestern in die Beratung ging. 2004 wurde eine Asylgesetznovelle des damaligen Innenministers Ernst Strasser vom Verfassungsgerichtshof in zentralen Punkten aufgehoben. Seine Nachfolgerin Liese Prokop, ÖVP, will zeigen, dass auch sie kein Weichei ist, wenn es um das Abschotten der Republik geht.

Auch der neue Entwurf sieht vor, dass Asylwerber abgeschoben werden können, obwohl ein Berufungsverfahren läuft. Diese Bestimmung wurde vom VfGH abgeschmettert. Von Abschiebung grundsätzlich ausgenommen waren in Österreich geborene Jugendliche. Dieser Grundsatz soll für 14- bis 18-Jährige, die straffällig werden, nicht mehr gelten. Für die Grüne Justizsprecherin Terezija Stoisits widerspricht dies internationalen Kinderschutzbestimmungen.

Mit der geplanten Beschleunigung der Asylverfahren sind auch Opposition und Menschenrechtsorganisationen einverstanden. Auch Prokops Vorschlag, die Erteilung von Aufenthaltsbewilligung und Arbeitsgenehmigung zu synchronisieren, wird begrüßt. Von einer halben Million legal in Österreich lebenden Ausländern dürfen nur 200.000 arbeiten. Auch Asylbewerber sollen Jobs suchen dürfen. Das entspricht einer EU-Richtlinie, die bis Oktober 2006 umgesetzt werden muss. Nicht einverstanden ist die FPÖ. Sie fordert, dass Kinder illegaler Einwanderer vom Schulunterricht ausgeschlossen werden sollen.

RALF LEONHARD