Die Stille und die Kraft

Die neue Berliner Senatorin übernimmt eine heikle Aufgabe: Als Linke-Politikerin in der armen Hauptstadt muss sie Sozialpolitik machen

Carola Bluhm mag es eher unauffällig. Wenn die künftige Berliner Sozialsenatorin in einem Tross aus Politikern und Journalisten steht, fällt die bisherige Fraktionschefin der Linkspartei trotz rot gefärbter Haare selten auf. Selbst bei Debatten im Abgeordnetenhaus liegt ihr nicht die pointierte Rede. Derlei Zurückhaltung gilt manchen Beobachtern als Zeichen mangelnder Durchsetzungskraft. Doch in ihrem neuen Job könnte Bluhm von ihrer unauffälligen Art profitieren. Viel kann die 46-Jährige dabei von ihrer Amtsvorgängerin lernen. Am Sonntag erklärte ihre Parteifreundin Heidi Knake-Werner, sie werde Mitte Oktober als Senatorin für Integration, Arbeit und Soziales zurücktreten. Altersgründe gab die 66-Jährige, die das Amt seit 2002 innehat, an. „Es ist meine Entscheidung, und die habe ich schon relativ lange geplant“, sagte Knake-Werner. Von ihr übernimmt Bluhm die heikle Aufgabe, als Linke-Politikerin im armen Berlin Sozialpolitik zu machen.

Knake-Werner vollbrachte in den vergangenen Jahren das Kunststück, die verhassten Hartz-Reformen in der Hauptstadt umzusetzen, ohne sich unter Genossen den Ruf einer Erfüllungsgehilfin des Bundes einzuhandeln. Ihre Nachfolgerin erbt daher einen Rechtsstreit mit Bundesarbeitsminister Olaf Scholz (SPD): Der fordert fast 50 Millionen Euro zurück, weil Berlins rot-roter Senat angeblich zu hohe Wohnkosten für Arbeitslosengeld-II-Empfänger gezahlt hat.

Die Rolle der freundlichen, aber in der Sache harten Sozialpolitikerin liegt Bluhm. Noch zu DDR-Zeiten studierte die in Ostberlin Geborene Soziologie. Von 1982 bis 1990 war sie in der SED. Die zweifache Mutter gilt als energische Verfechterin der Gemeinschaftsschule, die seit 2008 in Pilotprojekten in der Hauptstadt getestet wird. Das liegt auch an Bluhms stiller Beharrlichkeit. Der Koalitionspartner SPD stemmte sich zuvor lange gegen das Vorhaben. Als Fraktionschefin hat Bluhm seit 2006 die Abgeordneten trotz einer hauchdünnen 2-Stimmen-Mehrheit stets zusammengehalten.

Ihre Durchsetzungsfähigkeit und Verbindlichkeit wird Bluhm auch künftig gebrauchen können. Die Finanz- und Wirtschaftskrise droht die unpopulären Sparbemühungen des Senats seit 2002 zunichtezumachen.

MATTHIAS LOHRE