Diskriminierung per Visaregel

WESTBALKAN Bürger Serbiens, Mazedoniens und Montenegros sollen visafrei in die EU einreisen können. Für Bosnien-Herzegowina, Kosovo und Albanien gilt das jedoch nicht

„Die Verantwortlichen für die Massaker werden belohnt“, sagt Schwarz-Schilling

AUS PRIŠTINA ERICH RATHFELDER

Am Dienstag wird Erweiterungskommissar Olli Rehn den Plan der EU für ein neue Visaregelung für die Länder Südosteuropas verkünden, die bisher einer Visapflicht unterliegen. Es geht um die sogenannten Westbalkanstaaten – zu ihnen gehören Albanien, Bosnien und Herzegowina, Mazedonien, Montenegro und Serbien sowie das Kosovo. Ab 1. 1. 2010 wird die Visapflicht für Mazedonien, Montenegro und Serbien aufgehoben. Für Albanien, Bosnien und Herzegowina und Kosovo soll die neue Regelung nicht gelten.

Mit der Aufhebung der Visapflicht erfüllt die EU einen wichtigen Teil des Versprechens, das sie 2003 in Thessaloniki abgegeben hat. Damals wurde allen Staaten der Region die Integration in die EU in Aussicht gestellt, falls sie ihre Wirtschafts- und Rechtsordnung entsprechend reformieren. Für Kroatien war die Visapflicht schon vor drei Jahren aufgehoben worden, das Land sollte 2010 in die EU aufgenommen werden. Wegen des Grenzstreits mit Slowenien liegt das Projekt jedoch auf Eis. Die neue Visaregelung folgt einer Empfehlung der EU-Außenminister vom 15. Juni. Die Außenminister wollten damit vor allem ein Signal an Serbien senden. Denn mit dem Versprechen, Serbien an die EU heranzuführen, hatte die Demokratische Partei die Parlaments- und Präsidentschaftswahlen gegen eine nationalistische Koalition knapp gewonnen. Mit der Aufhebung der Visapflicht gegenüber Mazedonien und Montenegro werden die Anstrengungen honoriert, einige der geforderten Reformen schon bewältigt zu haben. Albanien dagegen steht dagegen erst am Anfang, will jedoch Kandidat für die Aufnahme in die EU werden. Und auch das Kosovo soll draußen bleiben. Dabei wird das Kosovo von einer Mission der EU kontrolliert, der EU-Missionchef kann Gesetze kassieren und Politiker absetzen.

Voraussetzung für die geplante Visafreiheit sind funktionierende Grenzkontrollen, die Einführung von Pässen mit biometrischen Daten und Maßnahmen gegen Korruption. Mazedonien erfüllt diese Bedingungen nach Angaben der EU-Kommission schon heute, Serbien und Montenegro würden im Laufe des Jahres nachziehen, hieß es dazu in Brüssel.

In Sarajevo aber ist die Öffentlichkeit schockiert, man wähnte sich auf gutem Wege. Die Einführung von biometrischen Ausweisen ist vorbereitet. Man ist da weiter als Serbien. Die Kontrolle der Grenzen aber und der Kampf gegen Korruption werden ausgerechnet durch die bosnisch-serbischen Politiker behindert, die jetzt von der neuen Regelung profitieren dürften. Kenner der Lage, wie der ehemalige Hohe Repräsentant der internationalen Gemeinschaft in Bosnien, Christian Schwarz-Schilling, sind über die EU-Politik entsetzt. Denn damit werde ein paar Tage nach dem 14. Jahrestag des Massakers von Srebrenica ein völlig falsches Signal gegeben. Da bosnische Kroaten Pässe aus Kroatien besitzen und jetzt bosnische Serben sich um serbische Pässe bemühen werden, wäre allein die Volksgruppe der Bosniaken (Muslime) von der neuen Visaregelung ausgenommen. „Die Verantwortlichen für die Massaker werden belohnt, die Opfer bestraft. Die Verantwortlichen in Brüssel zeigen, dass sie keinerlei Ahnung über die Konsquenzen einer solchen Entscheidung haben“, erklärte Schwarz-Schilling gegenüber der taz.

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