Massive Erhöhung der Strompreise in Frankreich

ENERGIE Der Elektrizitätskonzern EDF will Strompreise um 20 Prozent anheben. Die Wut der Franzosen ist groß. Ihr Unmut hält sie aber nicht davon ab, massenhaft Anleihen des Atomkonzerns zu kaufen

PARIS taz | Die Empörung über eine geplante 20-prozentige Tariferhöhung in den nächsten Jahren beim französischen Stromkonzern Electricité de France (EDF) ist einhellig und parteiübergreifend. Aber die Umweltorganisation Greenpeace fürchtet nicht nur eine Abzocke der Kunden, sondern auch einen Ausbau der Atomenergie. Die Preiserhöhung werde es dem Konzern erlauben, die Löcher in seiner Atomstrategie zu stopfen und weitere Reaktoren in aller Welt zu bauen, so Greenpeace.

Strompreise in Frankreich sind ein Politikum. Gegenwärtig liegen sie rund 39 Prozent niedriger als in den Nachbarländern. Im Land mit der höchsten AKW-Dichte der Welt hieß es bislang: Atomstrom ist günstiger. Bei seinen heimischen Kunden musste der Stromerzeuger EDF sich mit niedrigen Einnahmen zufriedengeben. Seine Gewinne machte er im Ausland, wo er in den letzten Jahren massiv investiert hat. Zuletzt haben die Auslandsinvestitionen EDF immer tiefer in die roten Zahlen manövriert. Im vergangenen Jahr trieb der Konzern seine Schulden in Höhe von mehr als 24 Milliarden Euro. Hauptverantwortlich dafür sind seine Kapitaleinstiege bei British Energy und dem US-Stromproduzenten Constellation.

Die geplante Preiserhöhung schlug auch deswegen am Freitag in Frankreich wie eine Bombe ein, weil EDF erst einen Tag zuvor die Ausgabe seiner Milliardenanleihe vorzeitig beendet hatte. Grund: Der Run auf die EDF-Anleihen war unerwartet groß. Binnen nur zwei Wochen haben 270.000 Anleger bei EDF gezeichnet. Insgesamt bringen die Anleger 3,2 Milliarden Euro in die Kassen von EDF – dreimal so viel, wie der Stromerzeuger erwartet hatte. Von der Warnung des atomkritischen Netzwerks „Sortir du Nucléaire“, „Investiert nicht in die Erneuerung des Atomparks mit dem Milliardengrab EPR“, ließen sich die Franzosen ganz offenbar nicht beeindrucken. Gewerkschafter brachten die Ausgabe der Anleihen und die Preiserhöhung umgehend in Zusammenhang. „EDF braucht mehr Geld, um den Renditebedarf seiner Aktionäre zu befriedigen“, erklärt die kommunistische Gewerkschaft CGT.

Parallel zu der Suche nach immer mehr Geld an der Börse und bei seinen Kunden versucht der Stromerzeuger auch in seinem Atompark zu sparen. Um die Kosten zu senken, will EDF die Laufzeit der in den 70er-Jahren in Dienst gegangenen 900-MW-Reaktoren auf 60 Jahre verlängern. Wenn ein Reaktor 20 Jahre länger läuft, so argumentiert EDF, kostet das rund 400 Millionen Euro. Das sei nur ein Zehntel dessen, was ein neuer Reaktor kosten würde. Wenn die französische Reaktorsicherheitsbehörde das Vorhaben genehmigt, wird der Betrieb von 34 der insgesamt 58 französischen Reaktoren verlängert werden. DOROTHEA HAHN