Hallo, hört ihr mich?

Prunksters (23) – die wöchentliche Kolumne aus den USA von Henning Kober. Heute: Falco und Lolo Ferrari

Gute Städte machen Schmerzen. So kann Los Angeles sein. Sich selbst verlieren ist die einfache Übung. Es hilft: Red Bull zuckerfrei. Die Dose treibt mich aus der Wohnung mit den weißen Wänden, bevor die Frösche von der Decke stürzen. Draußen treibt der fast vergessene Falco in die Ohren, ein kluger Prunkster: „Hallo Deutschland, hört ihr mich?“ Laufe den Sunset entlang. „Maschine brennt. Wo ist mein Fallschirm nur?“

An der Kreuzung Highland leuchtet ein Turm. „Amoeba Music“, der beste Plattenladen der westlichen Welt. Alles, in endlosen Reihen. Stile, Formate, neu und gebraucht. Eine großartige Masse Material. Der Deal: Kaufen, auf iTunes laden, innerhalb einer Woche zurückbringen und mit den 75 Prozent Retour neue Klänge aussuchen. Im Korb und fein: Gary Numan, The Kinks, Patrick Wolf, Violent Femmes, The Donnas, Daft Punk. Der Laden ist besser als jede Universität, schluckt Stunden. Merkwürdig: Nur unser Jahrzehnt hat noch keinen Namen und keine Musikbewegung, zum ersten Mal seit 100 Jahren.

In meiner Hose klingelt „My Way“. Am Telefon James St. James, Einladung auf seine Gästeliste. Ja? Klar. Club Synthetic spielt NuWave, Indie, Punk, Elektro. Feiert Clubkids, Supermodels, Trannies und Freaks. Riesige Halle, schon gut gepackt. Alle sind extrem dressed up, dekoriert mit Gloria-Material. Auf gewaltigen Schirmen „Fashion TV“. Ins Bild starrt Anna Wintour. Unten klatschen ihr in echt ein paar Jungs Käsekuchen ins Gesicht. Sie ist ein gutes Double mit Nehmerqualität. Auf der Bühne gibt Cazwell den MC. Der New Yorker, polnische Eltern, trägt nicht viel, Shorts mit „Capri“-Print, Pelz über den Schultern, Stiefel. Seine Zeilen erzählen: „I buy my socks on 14th. Street.“ Bald kommt das erste Soloalbum, es wird groß. Der Schlacks zertrümmert alle Regeln des HipHop. Sein Sidekick jetzt: Eine Lady, die Lolo Ferraris Schwester sein könnte. Trägt nichts außer einer Schnur, die alle delikaten Punkte streift. Sie heißt Amanda Lepore, in ihrem Körper ist ein Kerl beerdigt. Sie singt: Champagne“, endlos. Sie wird totgeblitzt. Es geht in Ordnung. „I love it.“ Sagt, immer wollte sie sein, was sie jetzt ist: „Ein lebendiges Kunstwerk“. Bis dahin waren es viele Schmerzen.

prunksters@taz.de