gastkommentar: lernstandserhebung
: Peanuts für die Kritiker

Die Ergebnisse der Lernstandserhebungen in Klasse 9 führen vor, was PISA gelehrt hat: In Deutschland hängt der Lernerfolg eines Schülers von seiner sozialen Herkunft ab. Die Hauptschüler und die Gymnasiasten bilden dabei die beiden extremen sozioökonomischen Pole zwischen den leistungsschwächsten und leistungsstärksten Schülern.

Wie kann es dann sein, dass jetzt in der öffentlichen Debatte so getan wird, als könnten wir die unterschiedlichen Leistungserträge den Schulformen gutschreiben? Nach dem Motto: Das Gymnasium ist Spitze, die Realschule ist besser als die Gesamtschule und diese ist fast so schlecht wie die Hauptschule. Leider hat die Ministerin selbst durch ihre Verlautbarung dem falschen Schulformranking Vorschub geleistet, indem sie zuallererst die Mittelwerte aus den Ergebnissen der Schulformen ohne Berücksichtigung des sozioökonomischen Faktors präsentiert hat.

Was in der Debatte der breiten Öffentlichkeit zu kurz kommt, ist die Tatsache, dass der sozioökonomische Faktor, den das einzelne Kind herkunftsbedingt in die Schule mitbringt, positiv oder negativ verstärkt wird durch die sozioökonomische Situation der gesamten Schülerschaft einer Schule. In der von der OECD veröffentlichten internationalen Schulleistungsstudie von PISA 2000 belegt Deutschland den Spitzenplatz in der Liste der Länder, wo dieser kombinierte Effekt einen ungleich größeren Einfluss auf die Leistungsergebnisse des einzelnen hat als der jeweilige familiäre Hintergrund.

Legt man diesen Befund zugrunde, dann ist unser eigentliches Hauptproblem die Schulstruktur. Sie begünstigt die soziale Segregation der Schüler nach der Grundschule und hat vor allen Dingen in den Hauptschulen zu einer dramatischen sozialen Entmischung und doppelten Benachteiligung sozial benachteiligter Schüler geführt.

Nach dem Willen der Landesregierung soll nun eine differenzierte Ressourcenverteilung die Lösung der strukturellen Chancenungleichheit sein. Am Beispiel des Ruhrgebiets wird dabei besonders deutlich, dass die Landesregierung nur mit „peanuts“ hantiert, so wenig Geld nimmt sie in die Hand. Ein böser Verdacht, der durch die neue nordrhein-westfälische Prüfungsordnung für die Sekundarstufe I genährt wird, drängt sich am Ende noch auf: Könnte es sein, dass das Ministerium das Schulformranking benutzt, um die Axt an die Oberstufe der Gesamtschule zu legen?BRIGITTE SCHUMANN