Leere Brust, volles Konto

FC ST. PAULI Der Zweitligist verzichtet auf 700.000 Euro für Trikotwerbung, kann die Finanzierung der neuen Haupttribüne schultern und Spieler-Ablösesummen zahlen

„Wir werden uns nicht unter Wert verkaufen“, heißt es aus dem Präsidium des Vereins

VON MARCO CARINI

Der FC St. Pauli geht voraussichtlich als einziger deutscher Profi-Fußballverein ohne zahlungskräftigen Trikotsponsor in die neue Zweitliga-Saison. Die Verhandlungen mit mehreren Sponsoren scheiterten in den vergangenen Tagen. Zuletzt lehnten die Verantwortlichen am Millerntor ein Angebot der rumänischen Renault-Tochter Dacia ab, die statt der vom Verein geforderten 1,4 Millionen Euro nur 700.000 Euro geboten hatte. „Wir werden uns nicht unter Wert verkaufen“, heißt es aus dem Präsidium des Vereins.

Statt auf das reduzierte Angebot einzugehen, planen die Macher vom Kiez nun für das Projekt „Republik Fußball“ die Saison über auf den Trikots des Zweitligisten kostenfrei zu werben. Die Online-Community www.republikfussball.org gilt als Anlaufpunkt für Freizeitkicker und Fußballinteressierte, die sich über die besten Bolzplätze, die Entwicklung des Fußballs und andere Themen rund um das runde Leder austauschen wollen.

„Wir konnten uns schnell für dieses Projekt begeistern, das ähnliche Werte vertritt wie wir, und das Potenzial hat, sich zu einem Sprachrohr für Fußballbegeisterte zu entwickeln“, sagt Vereinsgeschäftsführer Michael Meeske über den möglichen Trikotpartner.

„Vor wenigen Jahren hätten wir die Bedingungen des Sponsors zähneknirschend akzeptieren müssen, weil wir jeden Euro brauchten“, sagt ein Präsidiumsmitglied des Hamburger Zweitligisten. Nun aber reichen die finanziellen Reserven, um aus der Not eine Tugend zu machen und die Brust der Profi-Kicker auch ohne Obulus herzugeben. Zwar gäbe es durch den Ausfall des Trikotsponsors eine „Unterdeckung im Etat“ sagt Meeskens, die aber lasse sich „kompensieren“.

Dazu passt, das nach Informationen der taz auch die Finanzierung der neuen Haupttribüne, dem Kernstück des runderneuerten Millerntor-Stadions steht. Nachdem in Folge der Finanzkrise die Verhandlungen mit mehreren Geldinstituten monatelang stockten, haben jetzt drei Banken ihre Zusage gegeben, die notwendigen Kredite für das 15-Millionen-Projekt zu schultern. Dabei soll es sich um die Hamburger Sparkasse, die Commerzbank und die Hamburger Volksbank handeln.

Sollten nun auch noch die notwendigen behördlichen Genehmigungen und die ausstehende Umweltverträglichkeitsprüfung rechtzeitig eingeholt werden können, dürfte mit dem Abriss der alten Haupttribüne noch in diesem Jahr begonnen werden. Bleiben Bauverzögerungen wie bei der Erstellung der Südtribüne diesmal aus, könnte das neue Stadion-Prunkstück, indem auch weitere 20 Edel-Logen für zahlungskräftige Business-Kunden untergebracht werden sollen, dann bereits zum nächsten Saisonstart im August 2010 fertiggestellt werden.

Dass der Kiez-Club, der noch vor wenigen Jahren vor der Insolvenz stand, inzwischen solide aufgestellt ist, belegt auch, dass in dieser Saison erstmals Ablösesummen bezahlt wurden, um neue Spieler zu verpflichten – wenn auch nicht so üppige, wie von der Hamburger Lokalpresse kolportiert.

Der Edeltechniker Charles Takyi wurde nach einjähriger Abwesenheit für 200.000 Euro aus Fürth zurückgeholt, Jugendnationalspieler Deniz Naki für 100.000 Euro von Bayer Leverkusen losgeeist. Die Kontoauszüge des Hamburger Stadtteil-Vereins weisen trotzdem schwarze Zahlen aus – rot sind nur noch die Trikots, in denen der Club seine Pokalspiele bestreiten will.