Folter im Jugendknast

STRAFVOLLZUG Sächsischer Justizminister verteidigt Informationssperre. Regis-Breitingen galt als modernste deutsche Anstalt. Dort quälten Häftlinge einen Jungen fast zu Tode

AUS DRESDEN MICHAEL BARTSCH

Nur sehr vorsichtig äußerte sich der sächsische Justizminister Geert Mackenroth (CDU) am Dienstag erstmals dazu, was in der Jugendhaftanstalt Regis-Breitingen 2008 geschah – und wie es zu erklären sei. „Im Strafvollzug verdichten sich die allgemeinen gesellschaftlichen Probleme“, räumte er zunächst ein latentes Gewaltpotenzial in Haftanstalten ein.

Überbelegung und Personalmangel kämen aber gerade in Regis-Breitingen nicht als gewaltfördernde Probleme in Betracht. Das relativ lockere, auf Resozialisierung ausgerichtete Konzept des Jugendstrafvollzugs berge aber das Risiko verminderter Kontrolle. Dass die Öffentlichkeit über die seit Dezember 2008 laufenden Ermittlungen nicht informiert wurde, begründete Mackenroth mit dem besonderen Schutz der Persönlichkeitsrechte von Jugendlichen.

In Regis-Breitingen, einem 5.000-Einwohner-Städtchen bei Leipzig, wurde ein 18-jähriger Insasse des Jugendknasts von Mithäftlingen beinahe zu Tode gefoltert. Die seit April 2008 über fünf Wochen andauernden Misshandlungen wurden jetzt erst vom Magazin Focus aufgedeckt. Zunächst standen zwei zur Tatzeit 15- und 24-jährige Täter im Mittelpunkt. Am Montag teilte die Staatsanwaltschaft Leipzig plötzlich mit, sie habe gegen insgesamt neun junge Leute Anklage wegen versuchten Mordes und Körperverletzung erhoben.

Sie sollen unter anderem ihr Opfer im Duschraum mit heißem Wasser übergossen und mit einem Besenstiel geschlagen haben. An einen Stuhl gefesselt, wurden ihm ein Hakenkreuz und SS-Runen auf den Oberkörper gemalt. Die Täter versuchten, den Jugendlichen in den Selbstmord zu treiben, und wollten ihn schließlich mit einem Gürtel erdrosseln. Das Opfer konnte das Wachpersonal rufen.

Der 61 Millionen Euro teure Neubau von Regis-Breitingen gilt als die modernste Jugendhaftanstalt Deutschlands. Die Häftlinge leben hier im sogenannten Wohngruppenvollzug in Zwölfergruppen zusammen, schlafen aber in Einzelzellen. Seit 2007 gab es dennoch bereits zwei Selbstmorde. Die stellvertretenden Anstaltsleiterin Claudia Ramsdorf bestritt ein Klima der Angst unter den Strafgefangenen. Sie dementierte aber nicht, dass es Fesselungen gebe. Der Anwalt eines Täters soll die Anstaltsleitung wegen Schikanen des Wachpersonals und unnötiger Fesselungen verklagt haben.

Für den Linken-Rechtspolitiker Klaus Bartl beweist der Vorfall, „dass der Jugendstrafvollzug das Gegenteil von Resozialisierung und Erziehung zur Gewaltlosigkeit bewirkt“. Auch die Grünen forderten eine neue Debatte über die Vollzugsbedingungen.