Stanislaw Tillichs plötzliche Flucht nach vorn

AFFÄREN Sachsens Ministerpräsident lässt von „Bild“ einen heiklen Stasi-Fragebogen veröffentlichen

BERLIN taz | Mit der Veröffentlichung eines umstrittenen Fragebogens versucht Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU), die Debatten um seine Verstrickung in das DDR-Regime zu ersticken. Ihm wird vorgeworfen, in dem Personalfragebogen vier falsche Antworten zu Kontakten mit der Stasi gegeben zu haben. Die Bild-Zeitung veröffentlichte am Sonntag das Dokument aus dem Jahr 1999 und interviewte Tillich ausführlich. Der SPD-Abgeordnete Karl Nolle und mehrere Medien verlangen per Klage beim Sächsischen Verfassungsgericht seit Längerem Akteneinsicht.

In der Vorwoche hatte es bereits ein Treffen von Staatskanzleichef Johannes Beermann mit den Chefredakteuren sächsischer Zeitungen gegeben. Ebenso wie eine Pressekonferenz Tillichs zeitigte sie jedoch offenbar nicht den gewünschten medialen Erfolg. Seine „Flucht in die Wahrheit“ wolle Tillich nun als Heldentat hinstellen, sagte Nolle. Am 30. August stehen in Sachsen Landtagswahlen an.

Nicht nur nach Auffassung mehrerer Oppositionspolitiker bestätigt der Fragebogen jedoch, dass Tillich vor zehn Jahren falsche Angaben zu seiner Funktion als Stellvertreter des Rates des Kreises Kamenz für Handel und Versorgung gemacht hat. Auch Hubertus Knabe, Direktor der Gedenkstätte Hohenschönhausen, ist der Meinung, dass Tillich die Besuche von Stasi-Mitarbeiterin hätte erwähnen müssen. Der Ministerpräsident begründete im Interview sein Zögern bei der Veröffentlichung mit der Abwehr einer drohenden Kampagne gegen ihn.

MICHAEL BARTSCH