Amtseid unter Protest

Griechenlands neuer Staatspräsident muss sich vom skandalumwehten Erzbischof vereidigen lassen

BERLIN taz ■ Karolos Papoulias tritt heute sein Amt als Staatspräsident Griechenlands an. Vorgeschlagen hat den früheren Außenminister und Vertrauten von Pasok-Gründer Andreas Papandreou der konservative Ministerpräsident Kostas Karamanlis. Unterstützt von Regierung und Opposition soll Papoulias einen versöhnenden Landesvater geben. Doch seine Amtseinführung wird kaum harmonisch verlaufen: Die Fraktion der linken Synaspismos (Sammlung) will den Saal verlassen. Ihr Protest richtet sich dagegen, dass Papoulias seinen Eid vor dem Oberhaupt der orthodoxen Kirche leistet, obwohl der Präsident nicht nur die 95 Prozent der griechisch-orthodoxen Bevölkerung repräsentiert, sondern auch alle Andersgläubigen. Für die Linke wäre der weltliche Eid ein erster Schritt zur Trennung von Kirche und Staat, für die es lange keine gesellschaftliche Mehrheit gab.

Doch seit kurzem sprechen sich 60 Prozent der Griechen gegen die Privilegien des Klerus aus. Das liegt vor allem an Erzbischof Christodoulos, der tief in Skandale verstrickt ist. Papoulias ist also in der peinlichen Lage, seinen Eid vor einem machtbesessenen Kirchenfürsten leisten zu müssen, der mindestens zweimal die Unwahrheit gesagt hat.

Seine Notlügen beziehen sich zum einen auf Abt Jakovos Jossakis, der beschuldigt wird, von Richtern milde Strafen für Drogendealer erkauft zu haben. Diesen Gnadenhändler kannte Christodoulos angeblich nur flüchtig; wie konnte Jossakis dann für ein Dutzend Richter eine Audienz bei ihm erwirken? Die zweite Skandalfigur ist Apostolos Vavilis, der undercover für die griechische Polizei arbeitete, während er von Interpol gesucht wurde. 2001 wurde er unter falschem Namen nach Israel delegiert, um Bischof Irinäus im Kampf um das Amt des Patriarchen von Jerusalem zu „helfen“. Nachdem Vavilis abtauchte, mehrten sich Indizien, dass er für den griechischen und israelischen Geheimdienst tätig war. Seit Irinäus erklärte, Christodoulos habe Vavilis entsandt, trauen die Griechen ihm alles zu. Dennoch wird die Trennung von Staat und Kirche so bald nicht kommen. Die Regierung Karamanlis kann sie nicht aktiv betreiben, weil sie ihr Wahlvolk spalten würde. NIELS KADRITZKE

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