Gott strafe die Post

Mit nur 200 Einschreiben am Tag können Sie locker Millionär werden

Die Sache war so: Ende Dezember schickte ich Geld an einen Bekannten für eine Zeichnung, die er mir zugesandt hatte, und zwar per Einschreiben. Mein Zeichnerfreund wollte das auf diese Weise geregelt haben, weil er meinte, er könne dann dem Finanzamt ein Schnippchen schlagen. Schien mir irgendwie nicht ganz richtig zu sein – ich meine das Einschreiben, nicht das Schnippchen –, aber ich tat, wie er mich geheißen hatte.

Eigentlich hätte ich es ja direkt auf sein Konto überweisen müssen und auf das Überweisungsformular schreiben: „Danke für die herrliche Nacht“. Ich glaube nicht, dass er daraufhin zu erhöhten Steuerzahlungen herangezogen worden wäre. So was darf man übrigens heute als Frau schreiben, auch wenn ich die Überweisung lieber nicht in meiner Filiale der Sparkasse abgegeben hätte. Das Einschreiben kam selbstverständlich nicht an.

So weit, so gut. Hätten wir uns ja gleich denken können. Besonders nachdem mir meine Nachbarin erzählte, dass Bekannte von ihr immer schon ganz jibberig auf Weihnachten warteten, wo sie dann als Hilfspostler Briefe sortieren mussten und jeden Brief, der in zitteriger altdeutscher Schrift an Markus, Simone, Kevin oder Jens-Michael adressiert waren, beiseite schafften.

Ich rufe bei der Post an. Sie suchen. Finden aber nichts, und ich kriege einen Brief, dass sie mir 25 Euro und das Porto zurückzahlen werden. Toll!

Der Zeichner und ich korrespondierten dann längere Zeit hin und her, wie viele Einschreiben wir schicken müssten, bis wir Millionäre wären. Wir kamen auf zweihundert jeden Tag, falls auch mal welche aus Versehen zugestellt würden. Übrigens schrieben wir auf jeden unserer Briefe vorne drauf: „Gott strafe die Post“. Das haben wir von Arno Schmidt geklaut.

Ich wollte es aber doch noch mal genau wissen und schickte ihm erneut ein Einschreiben mit einem 5-Euro-Schein drin – was weiß ich, ob die nicht Durchleuchtungsgeräte haben oder Sonden oder was – und dem Text „Na, du altes Arschloch, hier sind bloß 5 Euro drin. Wirf diesen Brief gefälligst weg, damit ich wenigstens die 25 Euro kriege.“ Damit war nicht der Zeichner gemeint, sondern die Postkanaille. Doppeltes Arschloch, denn der Brief kam bei meinem Zeichner an. Allerdings war die Klappe geöffnet und dilettantisch mit einem Pritt-Stift wieder zugeklebt worden.

Ich rate jeder Oma, die ihren Enkeln was zukommen lassen will, einen 20- oder 50-Euro-Schein hinten auf eine Postkarte zu kleben: Wetten, dass das auf jeden Fall sicherer ist?

Eine Frage bewegt mich aber doch: Mir ist jetzt in kürzester Zeit zweimal so etwas passiert. Zufall? Schicksal? Mafia? Wo sind denn all die anderen, die ebenfalls unter der Knute der Post stöhnen? In der Zeitung liest man auch nichts davon, außer wenn ein überforderter Postbote mal 200 Briefe in den Gully schmeißt. Die Post verschweigt da was. Da bin ich sicher. Dieses Schweigen muss durchbrochen werden, deshalb fordere ich jetzt jede Leserin und jeden Leser auf, ihre und seine Erfahrungen mitzuteilen. Vielleicht könnte man ja einen Verein gründen … Schicken Sie’s doch einfach an die Wahrheit. Per Einschreiben. Und nicht vergessen – auf den Umschlag ganz groß: Gott strafe die Post. FANNY MÜLLER