Schwangere brauchen Folsäure

Ein Folsäuremangel der Mutter kann ein Ungeborenes schwer schädigen. Experten raten Frauen mit Kinderwunsch und Schwangeren daher, besonders auf ihre Ernährung zu achten – und zusätzlich Folsäure-Präparate zu nehmen

Folsäure gehört zu den wenig bekannten B-Vitaminen. So wundert es kaum, dass der häufigste Vitaminmangel in Europa und den USA der an Folsäure ist. Besonders für Schwangere ist Folsäure extrem wichtig. Neben wichtigen Funktionen im Eiweißstoffwechsel spielt Folsäure eine große Rolle bei sämtlichen Wachstums- und Entwicklungsprozessen im Körper. Sie ist unerlässlich für das Teilen und Neubilden von Zellen. Zusammen mit Vitamin B12 sorgt sie zudem dafür, dass rote Blutkörperchen im Knochenmark ausreifen.

Ein Folsäuremangel kann zu Fehlgeburten, vorzeitiger Ablösung der Plazenta, niedrigem Geburtsgewicht und schweren Missbildungen beim Säugling führen, wie einem offenen Rücken, bei dem Wirbelbögen teilweise oder vollständig fehlen, oder Spaltbildungen im Schädel und Gehirn. In Deutschland werden nach Angaben des Bundesinstituts für Risikoforschung (BfR) jährlich 600 bis 800 Kinder mit einem solchen Neuralrohrdefekt geboren. Die meisten sind lebenslang auf medizinische Versorgung und Pflege angewiesen.

Gerade in den ersten vier Wochen einer Schwangerschaft trägt Folsäure entscheidend zur Entwicklung des Rückenmarks und des zentralen Nervensystems bei. Viele haben ihre Schwangerschaft jedoch zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht bemerkt. Um eine Schädigung des Kindes zu vermieden, empfehlen Experten daher bereits Frauen, die sich ein Kind wünschen, auf eine ausreichende Versorgung mit Folsäure zu achten. Schon in der frühen Schwangerschaft steige der Bedarf stark an, stellt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE): Statt zu den 0,4 Milligramm für Jugendliche und Erwachsene rät sie Schwangeren und Stillenden zu 0,6 Milligramm Folsäure am Tag.

Viel Folsäure enthalten grüne Blattgemüse, Salate, Tomaten und Hülsenfrüchte sowie Hefe, Vollkornprodukte, Nüsse, Eigelb und Leber. Trotzdem erreicht das Gros der deutschen Bevölkerung die empfohlenen Zufuhrmengen nicht. Der Grund ist, dass Folsäure sehr empfindlich auf Hitze, Licht und Sauerstoff reagiert. Am schädlichsten wirken sich langes Erhitzen und Wiederaufwärmen auf den Folsäuregehalt aus. Am besten ist es, viel Rohkost zu essen und beim Kauf zu frischem Gemüse aus regionalem Anbau zu greifen, das nur kurz gelagert wird. Rein rechnerisch lassen sich mit einer vollwertigen Ernährung 0,3 Milligramm Folsäure und mehr pro Tag aufnehmen – was den Bedarf einer Schwangeren aber immer noch nicht deckt.

Frauen mit Kinderwunsch und werdende Mütter sollten daher täglich 0,4 Milligramm durch zusätzliche Folsäure-Präparate zu sich nehmen, raten medizinische Fachgesellschaften und die DGE. Solche Vitamintabletten haben überdies den Vorteil, dass der Körper sie besser aufnehmen kann als Folsäure aus der Nahrung. Denn im Essen ist das Vitamin fast immer an andere Stoffe gebunden – der Darm kann daher nur einen Teil verwerten. Freie, ungebundene Folsäure wie in Vitaminpräparaten kommt ihm dagegen fast vollständig zugute.

Viele Frauen schlucken zwar zusätzliche Folsäure-Tabletten – oft jedoch ist die Menge zu gering. So zeigte eine Studie des Robert-Koch-Instituts, dass lediglich ein Prozent der untersuchten Frauen zwischen 18 und 40 Jahren Folsäure-Mittel in ausreichender Dosierung einnahmen. Anzeichen für einen Mangel können neben Müdigkeit und körperlicher Leistungsschwäche auch Vergesslichkeit, Schlafstörungen, Depressionen und Blässe sein.

Ist eine Frau schwanger, kann ein Frauenarzt durch einen Bluttest prüfen, ob eine ergänzende Einnahme von Folsäure notwendig ist. Aus Kostengründen machen dies viele Ärzte jedoch nicht, sondern empfehlen eine prophylaktische Einnahme. Das ist meist unproblematisch, da sich ein Überschuss von Folsäure in der Regel nicht negativ bemerkbar macht. Manchmal führt er dazu, dass der Körper Zink schlechter verwerten kann. Bekannt sind außerdem Wechselwirkungen mit Medikamenten gegen Epilepsie.

MARTINA JANNING