Wo Bush stolz auf uns ist

Prunksters (22) – die wöchentliche Kolumne aus den USA von Henning Kober. Heute: Justin, Soldat im Irak

Auf seinem Autos klebt die gelbe Schleife, steht für „Support our Troops“. Es ist früher Abend. Wir sitzen oben im Runyon Canyon und schauen über Los Angeles. Justin ist sehr klein und schmal, sein Kopf verschwindet fast unter dem blauen „Van Dutch“-Cap. Die Stadt dämmert in dickem Smog. Seine Freunde nennen ihn „JR“, er ist 20, die Worte stürzen ihm aus dem Mund:

„Es gibt einen Senior, meinen Vater, aber der ist ein Verräter. Ich bin in Manila aufgewachsen, das ist auf den Philippinen. Auch eine Stadt im ständigen Smog. Als ich 15 war, sind wir nach Los Angeles umgezogen. Mein Senior hat sich sofort eine neue Frau gesucht. Ich wurde stumm, das Leben in dieser Stadt war ein totaler Schock für mich. Die Highschool Horror. Ich konnte kein Wort Englisch. Ein halbes Jahr sprach ich kein Wort, auch nicht mit meiner Mutter oder meinem Bruder. Aber ich hab’s geschafft, es wurde gut.

An meinem 18. Geburtstag dachte ich, jetzt bist du da. Meine Noten waren prima, ich hatte eine eigene Wohnung im San Fernando Valley zusammen mit meinem Freund Jason. Eine sehr talentierte, kluge Person, seine Eltern wohlhabend, weiß. Nachts habe ich gearbeitet, als Tänzer auf der „Tigerheat“-Party. Die Blicke auf deinen Körper fühlen sich gut an, wie Küsse.

An Weihnachten bin ich aus dem Irak zurückgekommen. Eigentlich wollte ich zur Air Force, aber meine Augen waren zu schlecht. Zum Glück habe ich es in die Logistik-Einheit geschafft. Da ist das Sterben etwas unwahrscheinlicher. Meinem besten Freund hat eine Bombe den Bauch aufgerissen, in der ersten Woche. Es bringt nichts, darüber zu sprechen, du kannst es sowieso nicht verstehen.

Seit zwei Jahren bin ich bei der Truppe, drei muss ich noch. Warum, fragst du? Es gibt nur einen Grund, für alle: Geld. Auf einmal war alles weg. Aber ich weiß, dass ich es wieder schaffen kann. Zur Wahl stand: Armee oder die Straße. Jason hat sich neu verliebt, in Heroin. Er hat mein Geld mitgenommen, sehr viel Geld. Keine Ahnung, wo er ist, ob er noch lebt.

Die meisten meiner Kollegen sind Schwarze, Latinos, Asiaten, alles Kids. Rasse spielt eine Rolle, das habe ich in Amerika gelernt. Auf dem Santa Monica Boulevard schütteln die Türsteher den Kopf, wenn du schmale Augen hast. In Bagdad ist Bush stolz auf uns.

Die Angst vor dem Tod ist raus aus meinem Körper, ich lebe jeden Tag wie den letzten. Hast du mal eine Zigarette? Gerade wohne ich auf einem Stützpunkt in Nevada, zusammen mit meiner Frau. Ja, ich bin verheiratet, seit letztem Jahr. Es ist nur zum Schein. Sie braucht die Green Card. Am Wochenende fahren wir meistens nach Los Angeles. Sie kauft gerade mit einer Freundin ein. Wir haben in Las Vegas geheiratet, in der gleichen Kapelle wie Britney Spears. Sie trug ein rotes Kleid, ich meine Uniform. Es ging schnell. Frag nicht nach der Hochzeitsnacht. Wir waren in einem Club. Es war schön, in Bagdad ihre Briefe zu lesen. Sie kocht für mich.

Scheiße, ich hab schreckliche Angst zurück zu müssen. Nein, du kannst mich natürlich nicht fotografieren.“