Ton, Steine, Scherben

Das jüngste Stück ist von 1945, das älteste ein vor 320 Millionen Jahren verstorbener Stachelhai: Im Römisch-Germanischen Museum sind ab Sonntag 6.000 Archäologenfunde aus ganz NRW zu sehen

VON JÜRGEN SCHÖN

Vielleicht hatte das Dienstmädchen keine Lust, sich die Finger beim Entleeren des Nachtgeschirrs ihrer Kölner Herrschaft dreckig zu machen. Jedenfalls landeten die Siegburger Kannen komplett mit Inhalt ungeleert in der Hauskloake am heutigen Breslauer Platz. Dort wurden sie 500 Jahre später in diesem Februar bei den Grabungsarbeiten für die Nord-Süd-U-Bahn entdeckt. Jetzt stehen sie als aktuellste archäologische Fundstücke in der Ausstellung „Von Anfang an: Archäologie in Nordrhein-Westfalen“, die am Sonntag im Römisch-Germanischen Museum Köln eröffnet wird.

Weil diese Fundstücke „ganz frisch“ sind, so Hausherr Hansgerd Hellenkemper, konnten sie auch noch nicht im umfangreichen Ausstellungskatalog erwähnt werden. Gleiches gilt für kostbare Glasvasen aus einem römischen Gräberfeld im Kölner Severinsviertel. Diese Ausstellungsstücke zeigen nicht nur die Aktualität der Ausstellung, sondern auch den historischen Reichtum, der sich im nordrhein-westfälischen Boden verbirgt. Schließlich ist dieses Land seit der Altsteinzeit, also seit rund 60.000 Jahren, dicht besiedelt. Das älteste in Köln gezeigte Ausstellungsstück ist sogar gut 320 Millionen Jahre alt: Es zeigt einen versteinerten Stachelhai. Als er lebte, war das Ruhrgebiet von Meer bedeckt. Die jüngsten Funde kommen aus Mönchengladbach: Hier legten Archäologen ein US-Lager für deutsche Kriegsgefangene aus dem Jahr 1945 frei.

Rund 6.000 Objekte aus 130 Grabungen der letzten fünf Jahre – jährlich wird hierzulande an 400 Stellen „gebuddelt“ – werden beim nunmehr vierten „Leistungsnachweis und Rechenschaftsbericht“ archäologischer Arbeit ausgestellt. Die Veranstalter erhoffen sich bei den Besuchern nicht nur Unterhaltung, sondern auch eine „emotionale Bindung“ an die Landesgeschichte, so Heinz Günter Horn vom Landesbauministerium.

Zu sehen ist ein breites Spektrum, das vor allem den Alltag früherer Zeiten lebendig werden lässt: Haushaltsgeräte aus allen Epochen und Materialien, Goldschmuck, Waffen, Grabbeigaben, gezinkte Würfel und eine Zahnbürste aus dem Mittelalter, Relikte einer römischen Bleiwerkstatt und einer Töpferwerkstatt aus dem 19. Jahrhundert. Alles liebevoll, wenn auch manchmal ein bisschen eng präsentiert. Modelle, Rekonstruktionen und Plastiktierchen sorgen für Anschaulichkeit.

Was den Schutz von Bodendenkmälern betrifft, belegt Nordrhein-Westfalen nach Einschätzung von Horn bundesweit einen „Spitzenplatz“. In den zwei Landschaftsverbänden Rheinland und Westfalen-Lippe kümmern sich rund 250 Menschen darum, hinzu kommen Dutzende von städtischen Denkmalschützern. Jährlich fließen rund 18 Millionen Euro aus öffentlichen Mitteln in diese Arbeit. Darüber hinaus beteiligen sich zahlreiche Stiftungen und Ehrenamtliche. Sorgen bereitet Horn allerdings die zunehmende Grabräuberei. „Hier gibt es ein hoch kriminelles Umfeld“, stellt Horn fest. „Die rechtlichen Mittel, dies zu stoppen, sind da, aber die Gerichte urteilen zu milde.“

„Von Anfang an: Archäologie in Nordrhein-Westfalen“, Römisch-Germanisches Museum Köln, 13. März bis 28. August, täglich 10-17 Uhr, Mittwoch 10-20 Uhr, Montag geschlossen, Katalog 15 Euro.