Grüne auf Abfangkurs

Ein Rüstungsprojekt soll die deutsch-amerikanische Freundschaft stärken. Die Grünen sagen, es sei „nicht vermittelbar“

VON ERIC CHAUVISTRÉ

Freundschaft ist nicht immer billig. Wenn man einen alten Weggefährten verärgert hat, darf man bei nächster Gelegenheit nicht so aufs Geld schauen. Die Bundesregierung will für die deutsch-amerikanische Freundschaft einige Milliarden springen lassen. Es geht um ein neues Raketenabwehrsystem für die Bundeswehr. Genauer: um das Medium Extended Air Defense System – kurz Meads. Eigentlich sollte die Entscheidung über das amerikanisch-deutsch-italienische Kooperationsprojekt schon am Tag des Bush-Besuchs am 23. Februar erfolgen. Dann stand die Entscheidung für den 16. März an. Nun sieht es so aus, als würde der Start des transatlantischen Projekts erneut verschoben.

Formell geht es nächste Woche um die Freigabe des deutschen Anteils an den Entwicklungskosten in Höhe von 886 Millionen Euro. Die späteren Beschaffungskosten werden mit 2,85 Milliarden angegeben. Nach einer Anfang dieser Woche bekannt gewordenen vertraulichen Einschätzung des Bundesrechnungshofes werden diese jedoch mehr als doppelt so hoch liegen. Kritiker halten selbst das noch für zu optimistisch.

Auch angesichts solch finanzieller Unwägbarkeiten bezeichnete der grüne Verteidigungsexperte Winfried Nachtwei in einem internen Papier die Beteiligung als in der Öffentlichkeit „nicht vermittelbar“. Die grünen Haushaltspolitiker folgten gestern dieser Linie und beschlossen, dem Meads-Antrag der Bundesregierung „in der bisherigen Form nicht zuzustimmen“.

Maßgeblich befördert hatte den Aufschub eine kurz vor Jahreswechsel vorgelegte Studie der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung (HSFK). Der Raketenabwehrexperte Bernd W. Kubbig hatte darin erhebliche Mängel in der Begründung des Verteidigungsausschusses dargelegt und damit eine ganze Reihe neuer Analysen provoziert. Unter anderem hatte er darauf verwiesen, „dass Deutschland im Umkreis von 1.000 Kilometern, in dem das System technisch wirksam sein könnte, inzwischen nur von Freunden umgeben ist“.

Der Kieler Politikprofessor und Raketenabwehrbefürworter Joachim Krause legte daraufhin eine Studie vor, in der unter anderem Weißrussland als Bedrohung herhalten musste. Und Christoph Grams warnte in einem Papier der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) gar vor der „Verbringung von Flugkörpern vor Küsten Deutschlands mittels umgebauter Frachtschiffe“.

Selbst die Bundesregierung wagt sich nicht mehr mit solch gewagten Szenarien in die Debatte. Bei einer speziell zum Thema Meads einberufenen „fraktionsoffenen“ Sitzung von Abgeordneten von SPD und Grünen am Dienstag räumten Verteidigungsminister Peter Struck und Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan nach Informationen der taz ein, das System solle für Einsätze „hoher Intensität“ beschaffen werden. In Papieren zu Bundeswehrplanungen steht diese Formel eindeutig für Kampfeinsätze von der Art des Irakkrieges. Missionen wie in Afghanistan und dem Balkan zählen dort als „Stabilisierung“.

Zwar regt sich innerhalb der SPD-Fraktion bislang nur wenig Opposition gegen das Projekt, aber auch hier gibt es Bedenken. Der für internationale Rüstungskontrolle zuständige SPD-Abgeordnete Rolf Mützenich regt an, Meads noch einmal zu überprüfen: „Der Weg, militärischen Risiken ausschließlich militärisch zu begegnen, ist falsch.“

Politisch brisant könnte sich eine Integration von Meads in die globalen Raketenabwehrpläne der USA auswirken. Technisch ist solch eine Verbindung kaum vermeidbar. Denn je mehr Daten über die Flugbahn einer abzufangenden Rakete von US-Satelliten in das System eingespeist werden, desto größer ist die Chance, diese tatsächlich abzufangen.

Angesichts der Bedenken verwies am Dienstag Struck erneut darauf, dass es nur um die Bewilligung der Entwicklungskosten gehe und noch nicht um die Kosten für die tatsächliche Beschaffung. Doch wenn die erste Milliarde ausgegeben ist, ist die Dynamik kaum noch aufzuhalten. Die Debatte um den Eurofighter war dafür nur der letzte Beleg.

Umgekehrt dürfte eine mögliche Vertagung der Entscheidung erhebliche Nervosität bei den Befürwortern auslösen. Denn je mehr das System in der Öffentlichkeit steht, desto schwieriger wird es sein, das Großprojekt trotz Kürzungen in anderen Bereich durchzusetzen. Selbst innerhalb der Bundeswehr gibt es Unbehangen an dem Prestigeprojekt ohne sichtbaren Nutzen für die Truppe. Auch international kann sich einiges tun. Über einen Ausstieg Italiens wird längst gemunkelt. Und in den USA läuft Meads ohnehin als ein kleines Element innerhalb des globalen Raketenabwehrsystems. Selbst unter versierten US-Militärexperten ist das System deshalb nahezu unbekannt. Ein schleichender Ausstieg aus dem freundschaftlichen Programm würde kaum bemerkt.