Libyens Gaddafi treibt Afrika vor sich her

AU-GIPFEL Afrikas Staatschefs geben der zukünftigen afrikanischen „Autorität“ erste Befugnisse. Gaddafi will Afrika außerdem in Sachen Sudan auf eine Ablehnungsfront gegen Den Haag einschwören

BERLIN taz | Der Staatengipfel der Afrikanischen Union (AU) im libyschen Sirte hat einer zukünftigen Regierung für Afrika erste Konturen gegeben. Die „Afrikanische Autorität“, die nach den Beschlüssen des letzten AU-Gipfels im Februar die bestehende AU-Kommission ablösen soll, wird „die Positionen der AU über Fragen gemeinsamen Interesses koordinieren“, beschlossen die Staatschefs. Sie soll „die Implementierung einer gemeinsamen Verteidigungspolitik koordinieren“ und „das strategische Kommando der zu gründenden afrikanischen Truppe“ besitzen.

Damit akzeptierten die Staatschefs einen Vorschlag des libyschen Revolutionsführers und derzeitigen AU-Vorsitzenden Muammar al-Gaddafi, der die AU zu einem Motor der Verschmelzung Afrikas zu machen versucht und dabei auf erhebliche Skepsis stößt. Ähnlich wie frühere Beschlüsse zu diesem Thema umschifft der neue Beschluss die Gräben zwischen den Staaten, indem er Dinge beschließt, die erst dann umgesetzt werden könnten, wenn andere Dinge umgesetzt wären, die noch gar nicht beschlossen sind. So gibt es gar keine gemeinsame Verteidigungspolitik oder Armee, die koordiniert beziehungsweise kommandiert werden könnte.

Gespalten sind die Länder Afrikas auch über einen weiteren Gaddafi-Vorstoß: den Kontinent vom Geltungsbereich des Internationalen Strafgerichtshofs auszunehmen. Die AU-Außenminister nahmen in der Nacht zu gestern überraschend einen libyschen Resolutionsentwurf an, wonach der bestehende Haftbefehl Den Haags gegen Sudans Präsidenten Omar Hassan al-Bashir nicht in AU-Mitgliedsstaaten vollstreckt werden soll. Das wäre, sagen Menschenrechtler, eine beispiellose Missachtung des Römer Statuts des Strafgerichtshofs, das die Mehrheit der Länder Afrikas unterzeichnet hat. Die umstrittene Erklärung ging gestern an die Staatschefs und sorgte dafür, dass sich der für Mittag geplante Gipfelabschluss verzögerte.

Libyens ursprünglicher Entwurf hatte sogar vorgeschlagen, jegliche Zusammenarbeit mit Den Haag nicht nur im Falle Bashir einzustellen, sondern generell bei „Festnahme und Überstellung angeklagter afrikanischer Persönlichkeiten“. Derzeit laufen in Den Haag ausschließlich Verfahren gegen Afrikaner, allerdings mit Ausnahme Bashirs sämtlich bewaffnete Gegner von Regierungen.

Zudem hob der AU-Gipfel die Sanktionen gegen Mauretanien auf, wo vergangenes Jahr das Militär geputscht hatte, aber demnächst Wahlen organisiert. Auch eine mögliche Stärkung des Mandats und der Größe der AU-Friedenstruppe in Somalia wurde erwogen. AU-Kommissionschef Jean Ping sagte, die Befriedung Somalias müsse für die AU Priorität haben. DOMINIC JOHNSON