Vermieter wollen diskriminieren dürfen

Die SPD streitet um das Antidiskriminierungsgesetz. Die Gegner erhalten Auftrieb bei einer Bundestagsanhörung

BERLIN taz ■ Das geplante Antidiskriminierungsgesetz entzweit die SPD weiter. Nun zeigte sich auch Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck skeptisch – Peer Steinbrück aus Nordrhein-Westfalen kritisiert die Vorlage schon länger. Ohne ihre Stimmen würde das Gesetz im Bundesrat scheitern.

Schon letzte Woche hatten diverse SPD-Kabinettsmitglieder erkennen lassen, dass sie das geplante Antidiskriminierungsgesetz nicht mehr unterstützen. Dazu gehörten Finanzminister Eichel, Wirtschaftsminister Clement und Innenminister Schily. Auch Kanzler Schröder gilt nicht als Freund des Antidiskriminierungsgesetzes. SPD-Chef Müntefering hingegen verteidigte das Vorhaben. Auch die Grünen halten daran fest, sind jedoch zu Einzelkorrekturen bereit.

Die Opposition ist sowieso dagegen. Gestern wiederholte CDU-Chefin Merkel, dass der zu erwartende bürokratische Wust „aktiv zur Vernichtung von Arbeitsplätzen beitragen“ würde.

Das Antidiskriminierungsgesetz wird sich jedoch nicht vollständig vermeiden lassen – sind doch vier EU-Richtlinien umzusetzen. Allerdings weicht der rot-grüne Gesetzesplan an einigen Stellen von der europäischen Vorgabe ab. Dort ist nur für das Arbeitsrecht vorgesehen, dass Benachteiligung nach acht Kriterien verboten ist: Rasse, Ethnie, sexuelle Identität, Alter, Weltanschauung, Religion, Behinderung und Geschlecht. Für das Zivilrecht hingegen sollen nur zwei Kategorien wichtig sein: Ethnie und Geschlecht. Im deutschen Entwurf gelten hingegen auch dort alle acht Kriterien.

Seither tobt der Streit. Gestern lud der zuständige Familienausschuss im Bundestag zu einer Expertenanhörung. Die Meinungen waren erwartungsgemäß geteilt. Die Sachverständigen der Regierungsparteien betonten das Gleichheitsgebot des Grundgesetzes – daher müssten im Zivilrecht dieselben Kategorien wie im Arbeitsrecht gelten. Doch auch die Experten der Opposition kannten die Verfassung und zitierten immer wieder die Vertragsfreiheit.

Dissens gab es auch im Detail. So müssen die acht Kategorien im privaten Rechtsverkehr nur berücksichtigt werden, wenn es sich um ein „Massengeschäft“ handelt. Bei einem Abschluss wie der Kreditvergabe, wo es sehr stark auf die Bonität des einzelnen Kunden ankommt, würde das Gesetz nicht gelten.

Besonders die privaten Versicherungen sind alarmiert, die als „Massengeschäft“ zählen und daher alle acht Kategorien befolgen müssen. Ihre Experten wandten ein, dass man Behinderung, Alter oder geschlechtliche Orientierung nicht immer sauber von einem Krankheitsrisiko trennen könne. Wenn etwa Homosexuelle nicht versichert würden – dann doch nicht weil sie schwul seien, sondern weil sie ein erhöhtes Risiko für Aids oder Hepatitis mitbrächten. Die Versicherer streben daher an, dass sie wie die Kreditinstitute nicht länger als „Massengeschäft“ gelten.

Genau das wollen auch die großen Wohnungsunternehmen für sich erreichen, die ebenfalls nicht alle acht Kriterien befolgen möchten. Sie argumentierten gestern, dass sie ihre Mieter stets sehr sorgsam und persönlich auswählen – ob sie etwa in die Nachbarschaft passen.

Und schließlich: Wie wird eigentlich eine Diskriminierung nachgewiesen? Die Arbeitgeber fürchten eine „Beweisumkehr“ – dass sie künftig darlegen müssten, dass sie nicht diskriminiert haben. Diese Sorgen konnten die Regierungsexperten nicht teilen: In den EU-Richtlinien sei nur eine Beweiserleichterung festgeschrieben. Ohne konkreten Anfangsverdacht ließe sich aber kein Gericht überzeugen, einen Diskriminierungsfall überhaupt anzunehmen. ULRIKE HERRMANN

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