Kein Riegel vorm Tor

Union plant erneut Gesetz gegen Nazi-Aufmarsch am Brandenburger Tor. Demo-Verbot nur an Sitzungstagen

BERLIN taz ■ Die Union unternimmt einen letzten Versuch, das Brandenburger Tor am 8. Mai vor einer NPD-Demonstration zu schützen. „Viele Abgeordnete haben Büros Unter den Linden und müssen durch das Brandenburger Tor, wenn sie in den Reichtstag wollen“, argumentierte der innenpolitische Sprecher Hartmut Koschyk gestern bei einer Sachverständigenanhörung im Innenausschuss. Zuvor hatten die eingeladenen Juristen einhellig den ursprünglichen Vorschlag der Union verworfen. „Ein grundsätzliches Demonstrationsverbot am Brandenburger Tor ist mit dem Grundgesetz nicht vereinbar“, sagte etwa Wolfram Höfling von der Uni Köln.

Koschyk versuchte daher einen neuen Anlauf. Statt auf „beschämende Bilder“ am Brandenburger Tor abzustellen, argumentierte er jetzt mit der Funktionsfähigkeit des Parlaments. Mit dieser Begründung hielten auch die Sachverständigen eine Ausweitung des befriedeten Bezirks (früher Bannmeile) um den Bundestag für möglich – wenn es tatsächlich keinen anderen zumutbaren Weg zur Abstimmung gibt. Das aber bezweifelten gestern nicht nur die Grünen.

Selbst wenn die Union eine Mehrheit für ihren Vorschlag bekäme, wäre die Möglichkeit, Versammlungen am Brandenburger Tor zu verbieten, auf die Sitzungstage des Parlaments begrenzt. CDU/CSU-Fraktionsvize Wolfgang Bosbach könnte damit leben. „Da am 8. Mai eine Sondersitzung des Bundestags stattfindet, wäre uns damit geholfen.“ Allerdings hat die NPD auch eine Demonstration für den 7. Mai angemeldet. Diese könnte so nicht verboten werden.

Zweiter Schwerpunkt bei der Anhörung war der Volksverhetzungs-Paragraf im Strafgesetzbuch. Rot-Grün will ihn verschärfen, um Demonstrationen wie den jährlichen Hess-Gedenkmarsch in Wunsiedel verbieten zu können. Jetzt soll als Volksverhetzer auch bestraft werden, wer NS-Menschenrechtsverletzungen „billigt oder verherrlicht und dadurch die Würde der Opfer verletzt“.

Der SPD-Landrat von Wunsiedel Peter Seißler kritisierte den Entwurf als ungenügend. „Wer Hitler oder seinen Stellvertreter verherrlicht, verletzt nicht automatisch die Würde der Opfer.“ Vermutlich wären Demonstrationsverbote in Wunsiedel so immer noch nicht möglich. Auf großes Interesse stieß daher ein Formulierungsvorschlag von Armin Nack, Strafrichter am Bundesgerichtshof, der die „Verherrlichung“ bestrafen will, ohne auf die Würde der Opfer abzustellen.

Dagegen protestierten jedoch die anderen Sachverständigen. „Welches Rechtsgut wird denn hier geschützt?“, fragte etwa der Bremer Rechtsprofessor Ulli Rühl, „der Staat kann den Bürgern doch nicht vorschreiben, wie sie sich an den Faschismus erinnern sollen.“ Das Verfassungsgericht würde eine so weit gehende Strafnorm nicht akzeptieren.

Auf Kritik mehrerer Sachverständigen stieß außerdem der Plan, das Leugnen von Völkermord in Jugoslawien und Ruanda als Volksverhetzung zu bestrafen (die taz berichtete). Dagegen fand der zentrale Punkt des Gesetzentwurfs, der geplante bessere Schutz für Gedenkstätten für NS-Opfer, keine Kritik. Am Mittwoch wird der Innenausschuss erneut beraten und schon am Freitag soll das Gesetz im Bundestag beschlossen werden.

CHRISTIAN RATH