Staat soll Ruhrkohle weißwaschen

In der Bundesregierung droht ein Streit um den Zechenbetreiber RAG. Der will sich hübsch machen für die Börse und die Risiken des Steinkohlebergbaus dem Steuerzahler überlassen. Doch die Grünen sind dagegen und wollen die Subventionen drücken

VON STEPHAN KOSCH

Die geplante Umstrukturierung der Kohlepolitik in Deutschland sorgt innerhalb der Regierungskoalition für Unmut. „Eine einseitige Risikoverschiebung in den Bundeshaushalt kann es nicht geben“, sagte die haushaltspolitische Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen, Anja Hajduk, gestern der taz.

Es müsse sehr genau geprüft werden, wie hoch die gegenwärtig auf etwa vier Milliarden Euro geschätzten Risiken wirklich sind. Zudem müsse es aus haushaltspolitischer Sicht darum gehen, die Subventionen für den Steinkohlebergbau langfristig abzubauen. Es sei noch nicht klar, ob das vom früheren Bundeswirtschaftsminister und derzeitigen Chef der RAG, Werner Müller, geplante Konzept diesem Ziel gerecht werde und für mehr Transparenz sorge.

Dabei läuft das geplante Konstrukt inklusive Börsengang der früheren Ruhrkohle AG (heute RAG) genau darauf hinaus: eine Weitergabe der Risiken und Verluste aus dem deutschen Steinkohlebergbau an den Steuerzahler. Rund 150 Millionen Euro Verlust macht der Konzern mit seinen neun Zechen, trotz Subventionen in Höhe von 2,5 Milliarden Euro. Und die Zahlungen des Bundes werden bis 2012 auf 1,7 Milliarden Euro sinken. Gleichzeitig sollen vier Zechen stillgelegt werden, fast jeder zweite der knapp 40.000 Kumpel muss gehen.

Doch die Stilllegung einer Zeche verringert nicht das Risiko von Bergschäden durch einstürzende Flöze. Die möglichen Kosten für diese Risiken haben bisher verhindert, dass die RAG für den Kapitalmarkt interessant war. Die Banken verlangten höhere Zinsen für Kredite, an Anleihen von privaten Anlegern war nicht zu denken. Die 90 Prozent, die die Konzerne Eon, RWE und ThyssenKrupp an der RAG halten, sind damit im Prinzip wertlos.

Deshalb sollen sie diese nun auch für einen symbolischen Preis von je einem Euro an ein Bankenkonsortium verkaufen. Das soll dann den unbelasteten „weißen Bereich“, der nichts mit dem Bergbau zu tun hat, an die Börse bringen. Das könnte sich für den Anleger lohnen, denn dabei ist auch der fünftgrößte deutsche Versorger Steag, deren Chef Müllers früherer Staatssekretär Alfred Tacke ist. Außerdem hält die RAG die Mehrheit an dem bereits börsennotierten Chemiekonzern Degussa, Nummer drei in Deutschland. Der RAG gehören auch 70.000 Wohnungen und zahlreiche Grundstücke.

Der erwartete Erlös von rund fünf Milliarden Euro soll in einen Fonds des Bundes fließen, für den die RAG als ein Dienstleister den Steinkohlebergbau organisieren soll. Bis zu 100 Millionen Euro pro Jahr an Verlust würde die RAG tragen, darüber hinausgehende rote Zahlen und alle Risiken und Haftungsansprüche müsste der Bund übernehmen.

Unklar war allerdings gestern, ob die jetzigen Besitzer der RAG den Plänen wirklich schon zugestimmt haben, wie ein RAG-Sprecher am Sonntag erklärt hatte. Diese Aussagen entsprächen nicht den Tatsachen, konterten Eon, ThyssenKrupp und RWE in einer gemeinsamen Erklärung. Das Problem ist offenbar, dass Eon-Chef Wulf Bernotat zwar Werner Müller Zustimmung signalisiert hat, die entsprechenden Konzerngremien jedoch noch nicht zugestimmt haben.

Fraglich ist auch, ob die EU-Kommission bei diesem Deal mitspielt. Denn die Übertragung von Pensionslasten auf den Staat gilt als vergütungspflichtige Beihilfe. Das hatte die Behörde zumindest im Falle des belgischen Telekomanbieters Belgacom so entschieden. Diese musste den Barwert der Verpflichtungen an den Staat zahlen. Ob dies mit den Einnahmen aus dem Börsengang abgedeckt wäre, ist noch offen.