Befreite Geisel klagt USA an

Journalistin Giuliana Sgrena schließt eine absichtliche Beschießung ihres Konvois durch US-Soldaten nicht aus. Italien verlangt Aufklärung von US-Regierung. Bush sagt Untersuchung zu

ROM afp/ap/taz ■ Die italienische Journalistin Giuliana Sgrena hat nach ihrer dramatischen Freilassung aus irakischer Geiselhaft der US-Darstellung des Vorfalls widersprochen. Sie schloss nicht aus, von den US-Soldaten absichtlich beschossen worden zu sein. Bekannt sei, dass die Amerikaner keine Verhandlungen über die Freilassung von Geiseln wollten. „Ich weiß also nicht, warum ich ausschließen sollte, dass ich die Zielscheibe gewesen sein könnte“, sagte Sgrena einem Fernsehsender. Das Auto, in dem sie mit dem Geheimdienstbeamten Nicola Calipari gesessen habe, sei nicht schnell gefahren, schrieb sie zudem in ihrer Zeitung il manifesto am Sonntag. Auch habe es keine Warnsignale gegeben. Calipari wurde getötet, als er sich schützend über die Journalistin beugte. „Ich erinnere mich nur an das Feuer“, schrieb Sgrena aus dem Krankenhaus. „Feuer und Kugeln regneten auf uns nieder.“ Sgrena wurde bei dem Beschuss verletzt. Ihr wurden in einem Bagdader US-Lazarett Munitionssplitter aus der Schulter entfernt.

Gegenüber italienischen Ermittlern sagte Sgrena, ihr Wagen sei nicht an einem Kontrollpunkt, sondern von einer US-Patrouille beschossen worden. Die US-Armee erklärte dagegen, die Soldaten hätten das Fahrzeug an einem Kontrollposten anhalten wollen. Sie hätten zunächst mit Handzeichen, dann mit Lichtsignal und schließlich mit Warnschüssen den mit hoher Geschwindigkeit fahrenden Wagen stoppen wollen; erst dann hätten sie gezielt gefeuert. US-Präsident George W. Bush übermittelte dem italienischen Regierungschef Silvio Berlusconi sein Bedauern und sagte eine Aufklärung des Zwischenfalls zu.

Die Staatsanwaltschaft in Rom nahm eine Untersuchung auf. Tausende Italiener erwiesen Calipari am Sonntag die letzte Ehre. Die Trauernden defilierten mit Blumen und italienischen Flaggen am aufgebahrten Sarg Caliparis. Heute soll Calipari ein Staatsbegräbnis erhalten.

Der irakische Abgeordnete Jonadam Kanna hat erklärt, für die Freilassung Sgrenas sei ein Lösegeld von rund 760.000 Euro gezahlt worden. Bei den Geiselnehmern habe es sich um Anhänger von Saddam Hussein gehandelt. Sgrena war am 4. Februar in Bagdad verschleppt worden. GB

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