Der tiefe Fall der Republikaner

Die Desaster für die Grand Old Party in den USA nehmen kein Ende. Die Demokraten räumen erstmals seit 40 Jahren im konservativen Bible Belt ab

„Heuchler“ ruft es den beiden Untreuen auch aus den eigenen Reihen entgegen

WASHINGTON taz | Das hatte ihnen gerade noch gefehlt: die gerichtlich entschiedene Niederlage in Minnesota, wo ihr Parteifreund Norm Coleman seinem demokratischen Gegner Al Franken unterlag. Damit zerbarst für die schwächelnden Republikaner am Dienstag endgültig die Hoffnung, die Demokraten vom letzten großen Meilenstein ihres Erfolges abzuhalten. Coleman fehlten lediglich 312 Stimmen aus 2,9 Millionen, um den Wahlsieg zu erringen und die unüberstimmbare Mehrheit der Demokraten im Senat zu brechen.

Colemans Niederlage ist für die „Grand Old Party“ (GOP), wie sich die republikanische Partei stolz nennt, nicht das einzige Desaster seit dem überwältigenden Wahlsieg der Demokraten im November. Verheerender ist, wo die Demokraten, allen voran ihr Superstar Barack Obama, abräumten: Erstmals seit vier Jahrzehnten war es ihnen gelungen, im Herzland der bibeltreuen Konservativen, in einigen Südstaaten wie Florida, Virginia und North Carolina zu gewinnen.

Während in den vergangenen Jahren der Spott „Demokraten in Verwirrung“ die Runde machte, gilt in Washington längst „Republikaner im Rückwärtsgang“ als neue Weisheit. Analysten sind sich sicher, dass die Republikaner nicht mehr aus ihren bibelschwenkenden Südstaatenoasen herausfinden werden, wenn sie sich bei gesellschaftlichen Fragen wie Abtreibung, Drogen und Schwulenehe nicht langsam moderat bis liberal positionieren. Gelingt ihnen das nicht, schreibt der Südstaatenkolumnist Ed Tant, „wird der republikanische Elefant (das Logo der Partei; d. Red.) eines Tages so ausgestorben sein wie das Wollmammut – und zwar aus den selben Gründen: Verlust des natürlichen Lebensraumes, Unfähigkeit sich anzupassen und getötet von einer Horde keulenschwingender konservativer Neanderthaler.“

Tatsächlich wird der Verfallsprozess der Konservativen durch die Boulevardpresse aufs Unterhaltsamste illustriert. Die findet in den Reihen der bibeltreuen, gegen Abtreibung hetzenden Politiker nahezu täglich Sensationsstoff. Kürzlich haben gleich zwei konservative Hoffnungsträger, beides mögliche Kandidaten für die Präsidentschaftswahl 2012, außereheliche Abenteuer eingestanden.

Sowohl Senator John Ensign aus Nevada als auch Gouverneur Mark Sanford aus South Carolina stehen nun am Pranger, die die Familienwerte hochhaltende Partei beschämt zu haben. Die Demokraten begnügen sich derweil damit, ausführlich daran zu erinnern, dass beide Politiker einst keine Gelegenheit ausließen, Expräsident Bill Clintons Lewinsky-Affäre und die moralische Verkommenheit der Demokraten zu geißeln.

„Heuchler“ ruft es den beiden Untreuen auch aus den eigenen Reihen entgegen. An Vergleichen zu den Star-Televangelisten, die sich ebenfalls durch Sexskandale und Korruption selbst demontierten, fehlt es nicht. „Jedes Mal, wenn führende Figuren sich in traurigen und bedenklichen Aktivitäten ergehen“, sagte ein zerknirschter Tim Pawlenty, Gouverneur und Hoffnungsträger der Konservativen aus Minnesota, „schadet das der Marke.“ AW