Abendliche Protestversammlungen in Beirut

Die libanesische Opposition will mit Präsident Lahoud verhandeln und formuliert ihre Bedingungen. Dazu gehören Rücktrittsforderungen an sieben wichtige Geheimdienstchefs. Warnungen vor einem Machtvakuum weist sie zurück

BEIRUT taz ■ Trotz des Rücktritts des libanesischen Premierministers Omar Karame macht die Opposition weiterhin Druck. „Das war erst der Anfang“, meinte eine Demonstrantin gestern. „Der erste Kampf ist gewonnen, aber der Krieg noch nicht zu Ende.“ Ungeachtet dieser militärisch anmutenden Rhetorik versammelt sich die Opposition jeden Abend mit friedlichen Absichten.

„Who's next?“ lautete der Spruch auf Transparenten der Demonstranten, um zu fragen, wer nach Exregierungschef Rafik Hariri das nächste Opfer eines Anschlags werden könnte. Aber jetzt zielt die Frage auf einen neuen Rücktritt – den des syrienfreundlichen Präsidenten Emile Lahoud. „Die Forderungen unserer Jugend sind weiter gehend als die der Oppositionsparteien“, erläuterte Oppositionsführer Walid Dschumblatt. „Wir sind eher moderat.“

Am Dienstag trafen sich die Führer der Opposition im alten Anwesen der Dschumblatt-Dynastie in den Bergen, um einen Katalog mit Bedingungen zu erstellen. Die Forderung nach dem Rücktritt Lahouds war nicht darunter, obwohl Dschumblatt dem nicht abgeneigt ist. „Das ist nicht Ziel der Opposition“, sagte der Journalist und Oppositionelle Akl Awit. Die Regierungskrise sei bereits da – man wolle sie nicht unnötig verstärken.

Der Forderungskatalog an den Präsidenten beinhaltete den Abzug der syrischen Truppen noch vor den für Mai angesetzten Wahlen, die Schließung der Geheimdienstbüros sowie den Rücktritt von sieben wichtigen Geheimdienstchefs. Diese nannte die Opposition in ihrem Dokument namentlich – darunter der Justizminister, die Chefs der Sicherheitsorgane, Militärchefs sowie der Kommandant der Präsidentengarde. Außerdem fordert die Opposition weiter die Aufklärung des Mordes an Hariri und die Bestrafung der Täter. Die Oppositionsparteien wollen nur dann mit Lahoud über eine Interimsregierung verhandeln, wenn er diesen Forderungskatalog akzeptiert. Sie drängen auf eine „neutrale“ Übergangsregierung, die letztendlich nur die Wahlen vorbereiten soll, aber sonst keine Entscheidungsmacht hat.

„Wir sind bereit, die Hand auszustrecken“, meinte Dschumblatt. Hisbollah beispielsweise sei ein ernstzunehmender Spieler im Machtpoker. Der Drusenführer habe der schiitischen Miliz, die auch mit Abgeordneten im libanesischen Parlament vertreten ist, Verhandlungen angeboten. Auch wäre es denkbar, mit prosyrischen Kandidaten zusammenzuarbeiten – falls sie kooperativ sind.

Bezüglich der Beziehungen zu Syrien sagte Dschumblatt: „Unsere Forderungen beschränken sich nur auf den Truppenrückzug und auf den Geheimdienst.“ Der Libanon wolle faire nachbarschaftliche Beziehungen mit Syrien. „Wir müssen eine neue Seite aufschlagen. Wir können nicht losgelöst von Syrien existieren. Das ist Libanons Schicksal.“

Lahoud und der schiitische Parlamentssprecher Nabih Berri warnten vor einem Machtvakuum nach einem syrischen Truppenabzug. Doch das weist die Opposition weit von sich. Auch hochrangige Militärs hatten vor einigen Tagen gesagt, die libanesische Armee könne die Syrer ersetzen. CHRISTINA FÖRCH