„Eine Möglichkeit, zu zeigen, was man kann“

Sportvereine mit migrantischem Hintergrund erfüllen wichtige Repräsentationsfunktionen für ihre Community, weil man auf sie stolz sein kann, sagt der Soziologe Bernd Bröskamp. Sie dienen als Anlaufstelle und bieten Orientierung

taz: Herr Bröskamp, wie wichtig sind Sportvereine mit Migrationshintergrund?

Bernd Bröskamp: Ethnische Sportvereine machen Menschen mit Migrationshintergrund Angebote, die kaum ersetzbar sind. Sie ermöglichen Kontakte, Vertrautheit und Sport, der zu ihnen passt. Das ist für ihre Integration sehr positiv. Solche Vereine wirken nach innen, in die Community. Und nach außen zeigen sie: Wir organisieren uns als Sportvereine in deutschen Fachverbänden und Ligen – mit Satzungen, Vorständen, Ehrenamtlichen. Eine typisch deutsche Form der Sportorganisation.

Was genau können solche Vereine leisten?

Sie können Leuten, die neu nach Berlin kommen, als Anlaufstelle dienen und Orientierung bieten. Das hilft, wenn man sich fremd fühlt. Aber auch für manche der hier aufgewachsenen sportbegeisterten Erwachsenen und Jugendlichen ist es nicht unbedingt leicht, mit kulturellen Formen deutscher Traditionsvereine zu verschmelzen. Wenn ihre eigenen Vereine dann Erfolg haben, ist das eine der wenigen Möglichkeiten, zu zeigen, was man kann und dass man für etwas gut ist. Das zeigt sich an so prominenten Beispielen wie Türkiyemspor oder Oktay Urkal. Sie erfüllen Repräsentationsfunktionen für ihre Community, weil man auf sie stolz sein kann.

Oft wird den Vereine aber vorgeworfen, sie würden sich abschotten …

Populistische Statements, die eine Auflösung der Communities und auch der ethnischen Sportvereine fordern, gehen an der sozialen Realität vorbei. In den „global cities“ ist die Entstehung ethnischer Quatiere und Wohnviertel Teil gesamtgesellschaftlicher Prozesse. Ethnische Sportvereine erbringen hier Leistungen, die für die Lebensqualität der Menschen enorm wichtig sind. Dass es darunter Sportanbieter gibt, die Ambivalenzen bei den Beobachtern hervorrufen, sei deshalb natürlich nicht in Frage gestellt. Heutzutage gibt es eine Reihe von islamischen Organisationen, die Sportangebote nach ihrem Sportverständnis entwickeln – was vor 15 bis 20 Jahren undenkbar war.

Warum kommt es zwischen ethnischen Vereinen und deutschen Clubs so häufig zu Auseinandersetzungen?

Es gibt sportspezifische Konflikte, die mit der besonderen Situation des Wettkampfs, des Siegen-Wollens und der gesteigerten Emotionalität zu tun haben. Wenn Mannschaftsgrenzen und ethnische Zugehörigkeit kongruent sind, kann all das eine Zuspitzung erhalten und aus dem Ruder laufen. Grundsätzlich bietet der Sport aber eine der wenigen gesellschaftlich legitimen Möglichkeiten, Konfliktverhalten im positiven Sinn zu erlernen, es auf einer Bühne symbolisch und gemäß Regeln auszutragen. Es erfordert beides, Konkurrenz und Kooperation. Das Spiel schafft einen Rahmen dafür, es hat einen Anfang und ein Ende. Es ist rituell und geht nicht über die neunzig Minuten hinaus. Gemeinsamkeiten der Teams können vor und nach dem Wettkampf betont werden. Das ist der Idealfall. Im ungünstigen Fall allerdings werden Stereotype auf die Spitze getrieben, diskriminierende Äußerungen sind dann gang und gäbe.

Wie kann man solchen Konflikten entgegenwirken?

Die Reaktionen der Sportverbände sind seit vielen Jahren immer die Gleichen. Man fordert „drakonische Strafen“ für die Verantwortlichen. Reduziert wird alles auf die Frage der Schuld. Was vielmehr hilfreich sein dürfte wäre, die Leute bei ihrer Liebe zum Sport zu packen. Denn niemand will, dass der an solchen Problemen zugrunde geht – das verbindet doch alle. INTERVIEW: PATRICK BAUER