Mussawi lehnt Kooperation mit dem Wächterrat ab

IRAN Sondergremium soll Teil der Stimmen neu auszählen. Mitarbeiter der Briten festgenommen

„Die Leute haben Angst vor der Zukunft, und sie sind wütend, weil sie keinen Wechsel herbeiführen konnten“

KAIRO/TEHERAN ap/afp/taz | Der iranische Oppositionsführer Mir Hossein Mussawi hält an seiner Forderung nach einer Wiederholung der Präsidentenwahl fest. Die vom Wächterrat vorgeschlagene Neuauszählung von 10 Prozent der Stimmen lehnte er am Sonntag ab.

Mussawis Erklärung wurde auf der Website Ghalamnews veröffentlicht, die von seinen Anhängern betrieben wird. Seine eigene Website war vorübergehend nicht zugänglich. Eine Annullierung der Präsidentenwahl sei „die geeignetste Lösung, um das öffentliche Vertrauen wiederherzustellen“, schrieb Mussawi. Zugleich forderte er die Einsetzung unabhängiger Schlichter. Der Wächterrat hatte vorgeschlagen, zur Überwachung der Auszählung eine Sonderkommission einzusetzen, dem auch Vertreter der unterlegenen Kandidaten angehören sollen. Mussawi lehnt dies ab. Auch der ebenfalls unterlegene Präsidentschaftskandidat Mehdi Karrubi lehnt eine teilweise Neuauszählung ab.

Der oberste geistliche Führer, Ajatollah Ali Chamenei, forderte Regierung und Opposition auf, „die Emotionen der Jugend nicht zu schüren und die Leute nicht gegeneinander aufzuhetzen“. Der Appell wurde am Sonntag im staatlichen Fernsehen veröffentlicht. Chamenei hat sich im Streit über den Ausgang der Präsidentenwahl von Anfang an klar hinter Amtsinhaber Mahmud Ahmadinedschad gestellt, den die Behörden vor gut zwei Wochen zum Wahlsieger erklärt hatten.

Der Schlichtungsrat des Landes, dem Expräsident Ali Akbar Haschemi Rafsandschani vorsteht, rief am Wochenende die unterlegenen Kandidaten auf, mit der Sonderkommission des Wächterrats zu kooperieren. Das Gremium vermittelt normalerweise zwischen Wächterrat und Parlament und ist für die Wahl oder Absetzung des Revolutionsführers zuständig. In einer Erklärung Rafsandschanis hieß es gleichzeitig: „Wir fordern auch den Wächterrat auf, alle Beschwerden und Einwände genau zu untersuchen.“

Derweil wird Mussawis Verhalten zumindest von einigen seiner Anhänger offenbar zunehmend kritisch bewertet. „Das Problem ist, dass wir niemanden haben, der uns führt“, sagte ein 30-jähriger Bewohner von Isfahan. „Mussawi will nicht weitermachen, weil er im Grunde Teil des Systems ist.“ „Die Leute sind wütend und haben Angst“, sagte er weiter. „Sie haben Angst vor der Zukunft, und sie sind wütend, weil sie mit ihrer Stimme keinen Wechsel herbeiführen konnten.“ Zwar wagten nur noch wenige, dem Regime offen auf der Straße die Stirn zu bieten, allerdings würden die Leute in Isfahan und Teheran nachts nach wie vor „Allah ist groß“ von den Dächern rufen.

Iranische Medien berichteten unterdessen, die Behörden hätten am Samstag acht iranische Mitarbeiter der britischen Botschaft in Teheran festgenommen. Ihnen werde eine Verwicklung in die Proteste gegen die Wahl vorgeworfen. Der britische Außenminister David Miliband äußerte sich am Sonntag „tief besorgt“ über die Festnahme der Botschaftsmitarbeiter. Die Regierung habe offiziell dagegen protestiert, sagte Miliband. Eine derartige „Schikane und Einschüchterung“ sei völlig inakzeptabel. Die iranische Führung hat Großbritannien im Zusammenhang mit den Protesten nach der Präsidentenwahl vorgeworfen, die Opposition zu unterstützen und zu Unruhen anzustacheln.