Fleisch, Mann!

STEAK Eine Hommage an jenes Stück vom Rind, das, saftig medium gebraten, wahre Wonnen verheißt – auch wenn es für andere die Königsklasse des Unstatthaften symbolisiert

VON JAN FEDDERSEN

Bei dem Jugendsender Viva war mal eine Comicfigur populär, die auf den Namen Fleischmann hörte. Der sah fett aus, feist und kratzte sich unter den unrasierten Achseln. Gelegentlich meinte man, er täte dies auch im Schritt – und in der Erinnerung will mir scheinen, als hätten fiese Hosenträger seine Leibesfülle stabilisiert.

Eines Tages war Fleischmann weg, die Quoten versanken ins Unmessbare. Experten, immer mit neuen Studien bewehrt, glauben, das könne nur an seinem Namen gelegen haben. Fleischmann – das klingt so gemein und feist wie Metzger, Schlachter oder Fleisch. Solches, das blutet, eines, das übrig bleibt, hat man die muskulärsten Teile eines Tiers, meist eines Rinds, in verzehrbare Teile gestückelt. Fleischmann musste aus dem Programm gelöscht werden, weil niemand sagen würde: Fleisch, das esse ich gern. Fleisch ist proll; allenfalls erlaubt, wenn man statt Steak ein filigranes Wort wie Charolais anfügt. Das Steak, so oder so, ist die Königsklasse des Unstatthaften.

Gewebe statt Tofuismus

Es wirkt so roh und rot, dass es sich gegen jedwedes Gemüse verhält wie eine Bombe zur Zwille. Ein Steak, saftig gebraten, nicht zu Leder verkohlt wie eines, das in lauwarmer Margarine gegart wurde, ein medium gebrutzeltes Stück Rindfleisch, womöglich mit leichter Marmorierung durch Fettadern im Gewebe, ist ein köstliches Vergnügen. Es schmeckt am allerbesten, wird dieses Stück Fleisch allenfalls durch ein wenig Salat, durch grüne Bohnen oder ein Häuflein krosse Zwiebeln begleitet. Bloß keine Kartoffeln, Nudeln oder Reis – das ist fast noch schlimmer als aller Tofuismus in purer Konsistenz.

Nein, ein Steak ist delikat und mundet fein, wird es ob mit aus dem Karawanken gekratztem Salz oder solchem vom Strand in Hawaii gewürzt. Ein Steak verträgt keine Marinaden, Tunken aus allerlei & nichts sind nur etwas für Fleisch, das sein Haltbarkeitsdatum zu überschreiten droht. Vor allem aber wahr ist, dass ein Steak immer Ersatznahrungshandlungen vorzuziehen ist. Ein Steak, das Briten besonders gern in der fast noch rohen Variante zu sich nehmen, dazu in kochendem Wasser erschreckte Erbsen, ist ein Glücklichmacher. Die Flüssigkeit, die einem Tenderloinsteak entweicht, mit gesalzener Butter zur aphrodisierenden Emulsion vermengt, gleicht einem bürgerlichen Manna, das Proleten natürlich auch wollen. Weil aber BürgerInnen eher ungern in geschmackliche Nähe der aus ihrer Sicht Unterklassen kommen mögen, sie sich also lieber mit Tofu geißeln, als sich der Fleischeslust hinzugeben, hat das Steak keine gute Presse. So wie Fleischmann, der doch eigentlich ganz bei sich ist.

Foto: Steve Wrubel/The Image Bank/Getty Images