Orientierung im Reformlabyrinth

Die „Didacta“ bietet reformgeplagten Pädagogen Gelegenheit zum Erfahrungsaustausch. Auf der größten europäischen Bildungsmesse wird außerdem die „Weltdekade für Nachhaltigkeit in der Bildung“ präsentiert, ein Projekt der Uneseco

Das Bedürfnis nach Information und Austausch ist so groß wie lange nicht mehr

VON OLIVER VOSS

Von Bildungsplänen über die Ganztagsschule, flexiblen Schuleingangsphasen bis hin zum Tagesbetreuungsausbaugesetz: Die Bildungsmesse „Didacta“ steht ganz im Zeichen der aktuellen Reformdebatten. Diese waren auch im letzten Jahr in Köln das vorherrschende Thema, doch während man sich nach dem Pisa-Schock über die Reformbedürftigkeit von Schule und Unterricht grundsätzlich einig war, haben sich nun die Fronten verhärtet. „Das Bild einer einmütigen Reformagenda in den Ländern muss zum Teil revidiert werden“, sagt Andreas Baer, Geschäftsführer des VdS Bildungsmedien e. V., „gegenläufige Konzepte beherrschen nun die Bildungspolitik.“ Neben dem Kompetenzstreit zwischen Bund und Ländern entwickelt sich ein neuer bildungspolitischer Grabenkampf um die richtige Schulstruktur. „Das Bedürfnis der Pädagogen nach Information und Austausch ist deshalb so groß wie lange nicht mehr“, sagt Baer.

Vom 28. Februar bis 4. März bietet die Didacta in Stuttgart ausreichend Gelegenheit dazu. Der VdS Bildungsmedien ist neben dem Didacta Verband e. V. wichtigster Träger der Messe. In den vier Bereichen Kindergarten, Schule/Hochschule, Ausbildung/Qualifikation und Weiterbildung/Beratung präsentieren sich 800 Aussteller. Zur letzten Didacta in Köln kamen über 90.000 Besucher, die Veranstaltung gilt damit als größte Bildungsmesse Europas.

Vor allem im „Forum Bildung“ werden die Schulreformen in zahlreichen Vorträgen und Diskussionen thematisiert. Baden-Württemberg ist mit der Einführung von Bildungsplänen und der Verkürzung der gymnasialen Schulzeit auf acht Jahre einer der Vorreiter in diesem Bereich. Die Kultusministerin Annette Schavan (CDU) wird ihr Konzept vorstellen. Mit dem Koordinator der Pisa-Studie Andreas Schleicher oder den Kultusministerinnen aus Rheinland-Pfalz und Hessen ist weitere Bildungsprominenz vertreten, um mit Lehrern und Schulleitern zu diskutieren. Es mangele nicht an guten Ideen, sagt Horst Kleinpeter, Präsident des Didacta-Verbandes e. V., der Streit um ihre finanzielle Umsetzung sei jedoch das Problem. Auch Andreas Baer kritisiert die Vorstellung, „Jahrhundertreformen“ im Bildungswesen kostenneutral durchführen zu können. „Der schleichende Rückzug des Staates aus der Lernmittelfinanzierung geht an die pädagogische Substanz“, sagt Baer und fürchtet zudem, dass die politischen Streitigkeiten die Bildungspolitik lähmen.

Für die Pädagogen stehen konkrete Informationen über die Anwendung der Bildungsstandards, neue Konzepte der Schulentwicklung, Reformen der Lehrerbildung oder Neuheiten im Bereich der Bildungsmedien im Vordergrund. Die schlechte Integration besonders starker und lernschwacher Schüler ist Thema des Symposiums „Heterogene Lerngruppen in Schule und Unterricht“ und die Sonderschau „Mediation in pädagogischen Handlungsfeldern“ widmet sich dem Umgang mit Gewalt und der Konfliktprävention. Lernmethodiker und Bildungsforscher wie Heinz Klippert, Wolfgang Endres oder Elsbeth Stern werden ihre Konzepte für einen besseren Unterricht und neurobiologische Erkenntnisse für die Lernforschung referieren.

„Viele Besucher kommen, um sich konkret über Neuheiten zu informieren, aber daneben sind auch die Fortbildungsveranstaltungen sehr wichtig“, sagt Didacta Sprecher Thorsten Timmerarens. Vor allem im Kindergartenbereich erfreuen sich die Seminare großer Beliebtheit, 3.600 Erzieherinnen beteiligten sich letztes Jahr daran. Diesmal gibt es einen gesonderten Aktionstag für Kita-Leiterinnen, die meisten Veranstaltungen sind aber schon seit einem Monat ausgebucht. Weitere Themen in diesem Bereich werden Modelle der Sprachförderung, die Erzieherinnenausbildung im europäischen Vergleich und vor allem das 2004 verabschiedete Tagesbetreuungsausbaugesetz (TAG) sein, das die Kommunen verpflichtet, bis 2010 ausreichende Betreuungsangebote für die unter Dreijährigen zu schaffen.

„Bei der Weiterbildung bleibt Blended Learning ein großes Thema“, sagt Thorsten Timmerarens. „Dabei werden klassische Präsenzveranstaltungen mit Online-Phasen gekoppelt.“ In einer Sonderschau werden dazu Praxisbeispiele präsentiert. Die Didacta bildet vor allem einen Treffpunkt für Trainer und der Dachverband der Weiterbildungsorganisationen e. V. veranstaltet hier zum zweiten Mal seinen Jahreskongress. Dabei soll ein Modell zur Einführung von Qualitätskriterien in der Trainerausbildung vorgestellt werden.

Der neueste Trend ist das Thema Nachhaltigkeit in der Bildung. In diesem Jahr beginnt eine von der UN ausgerufene „Weltdekade Bildung für nachhaltige Entwicklung“, die auf der Didacta erstmals einer breiten Öffentlichkeit vorgestellt wird. Die deutsche Unesco-Kommission hat dazu ein Nationalkomitee einberufen, den Vorsitz hat Gerhard de Haan inne. „Es geht darum, einen mentalen Wandel zu initiieren“, sagt der Erziehungswissenschaftler de Haan. Um zu einer wirklich nachhaltigen Entwicklung zu kommen, brauche man eine andere Art und Weise zu denken und dafür sei Bildung zuständig. Das Programm „Transfer 21“ zeigt Konzepte und Beispiele, für Prinzipien der Nachhaltigkeit im Unterricht. „Dabei gibt es auch eine Verbindung zu modernen Lernformen“, sagt de Haan, „man knüpft an Alltagserfahrungen an und kann so gerade bei schwächeren Schülern wieder mehr Lust an der Schule wecken.“

www.didacta-stuttgart.de