Auf dem linken Auge blind

Kölns zweite Stadtkonservatorin Henriette Meynen wirbt für den konservativen Heimat- und Geschichtsverein Brück. Die Geschichtswerkstatt, die vor allem die Nazi-Zeit erforscht, unterschlägt sie

VON JÜRGEN SCHÖN

„Kein Kölner Stadtteil ist so gut erforscht wie Brück“, lobt Henriette Meynen, stellvertretende Stadtkonservatorin, die Arbeit des „besonders eifrigen“ Heimat- und Geschichtsvereins Brück. Schon sieben Bücher hat der Verein über das 1914 eingemeindete Dorf veröffentlicht – jetzt hat er auch noch einen „Kulturpfad“ entwickelt und plant dazu die Herausgabe eines kleinen Führers. Dass ihm dafür noch Geld fehlt, ist für Meynen Anlass, in der Presse um Sponsoren zu werben.

Was die Konservatorin bei ihrem Werbefeldzug verschweigt: Dass Brück so gut erforscht ist, liegt nicht zuletzt an der Arbeit der Geschichtswerkstatt Brück. Die hat schon elf Bücher veröffentlicht und erst im November einen Stadtteilführer (taz berichtete). Die Geschichtswerkstatt wurde einst mit dem Ziel gegründet, die Brücker Geschichte „von unten“ aufzurollen. Ihr Schwerpunktthema: Brück im Nationalsozialismus zwischen Unterstützung, Anpassung und Widerstand.

Ein Geschichtskapitel, das bis dahin eher verschwiegen wurde und bis heute nicht bei allen Brückern auf Gegenliebe stößt: So wurde nach den ersten kritischen Veröffentlichungen der Geschichtswerkstatt Anfang der 90er Jahre prompt der Heimat- und Geschichtsverein Brück gegründet. „Wenn ich deren Forschungsergebnisse sehe, glaube ich, dass ich in einem anderen Ort lebe“, schimpft Hans Kirsten vom Geschichtsverein – er war lange auch Fraktionsführer der Bezirks-CDU – auf die Geschichtswerkstatt.

Der Heimat- und Geschichtsverein („Die Historiker mit Doktortitel sitzen bei uns“, so Kirsten) gibt die braune Ortsgeschichte lieber geglättet wieder. Für Brück hat er unter anderem ein Wappen entwerfen lassen und Geld für die Umgestaltung des Marktplatzes gesammelt.

Die Geschichtswerkstatt ist der stellvertretenden Stadtkonservatorin Meynen durchaus bekannt, wie sie auf Nachfrage der taz zugab. Warum sie deren Arbeit zuvor mit keinem Wort erwähnte, wollte sie nicht erklären.

Die Parteinahme der Kölner Verwaltung für die Brücker Heimatfreunde ist nicht die erste. Schon beim Kulturpfad wurde die Geschichtswerkstatt von der Stadtpolitik geschnitten. Ende 2003, berichtet Fritz Bilz von der Geschichtswerkstatt, habe man den Stadtkonservator brieflich um Hilfe bei der Errichtung eines Kulturpfades Brück gebeten. Eine Antwort habe man nie gekommen. Ein fast zeitgleich gestellter Antrag bei der Bezirksvertretung auf finanzielle Unterstützung wurde im Januar 2004 abgelehnt. „Im Einvernehmen mit allen Fraktionen“, so der damalige und heutige Bezirksvorsteher Wilfried Dohm (CDU) zur taz. Die grüne Fraktionsvorsitzende Angela Behring ergänzt: „Es war kein Geld mehr da.“

Als dann aber der Heimat- und Geschichtsverein im vorigen Herbst einen Antrag zur Unterstützung seines Kulturpfad-Führers stellte und dabei auf die Kooperation mit dem Stadtkonservator verwies, wurden plötzlich 500 Euro bewilligt. Damit wurde vor allem der Historiker bezahlt, der vor rund einem halben Jahr seine Arbeit für den Kulturpfad-Führer begann.

Die Geschichtswerkstatt dagegen hat ihren Stadtteil-Führer außer mit einer 1.000-Euro-Spende von der Stadtsparkasse vor allem aus privaten Mitteln finanziert.

Geschichtswerkstatt Köln-Brück: www.gw-koeln-brueck.de