Sieg für die Castor-Gegner

Das Schleswiger Verwaltungsgericht urteilt: Atomtransport-Blockierer müssen die Kosten für ihre Räumung nicht selbst zahlen. Dabei hatte ihnen der Grenzschutz eine deftige Rechnung gestellt

AUS SCHLESWIG MARCO CARINI

Wie teuer kann Atomprotest werden? Müssen Umwelt-ProtestlerInnen, die einen Castor-Zug aufhalten, die für Polizei und Bundesgrenzschutz entstehenden Kosten tragen? Nein, müssen sie nicht, urteilte gestern das Schleswiger Verwaltungsgericht. Die Richter gehen davon aus, dass im Gleisbett gemeinsam angekettete Personen eine Versammlung im Sinne des Artikels 8 des Grundgesetzes darstellen.

Mehr als 7.000 Euro hatte das Grenzschutzpräsidium Nord fünf Robin-Wood-AktivistInnen in Rechnung gestellt. Sie hatten sich im wendländischen Süschendorf vor knapp vier Jahren an die Bahngleise gekettet, um den anrollenden Atommüll-Transport ins Zwischenlager Gorleben zu blockieren. Die Rechnung des Grenzschutzes fiel detailliert aus: Selbst für Heizgebläse, Wärmedecken und Gehörschutzklappen sollten die AtomgegnerInnen blechen.

Die Aktion hatte im März 2001 bundesweit für Aufsehen gesorgt. Vier der UmweltschützerInnen hatten jeweils einen Arm in ein Rohr gekettet. Die Rohre waren in einen unter den Gleisen eingelassenen Betonblock einzementiert. Deshalb dauerte ihre Zwangsbefreiung durch Spezialeinsatzkräfte der Polizei die ganze Nacht. Und die Weiterfahrt des Atomzuges verzögerte sich um zwanzig Stunden.

Aber nicht nur die gegen die BlockiererInnen von Süschendorf ergangenen „Leistungsbescheide“ standen gestern in Schleswig auf dem juristischen Prüfstand: Auch fünf weitere AtomkraftgegnerInnen, die mit ähnlichen Aktionen versucht hatten, Atommülltransporte aufzuhalten, hatten gegen die ihnen auferlegten Kosten geklagt.

Die Vertreterin des Bundesgrenzschutzes argumentierte in dem Verfahren, dass die durch die Befreiung entstandenen Zusatzkosten selbstverständlich auf die VerursacherInnen des Einsatzes abgewälzt werden könnten. Da die Blockade widerrechtlich gewesen sei und zudem auf Privatgelände – den Schienen der Deutschen Bahn – stattgefunden habe, habe sie nicht unter dem Schutz des Versammlungsrechts gestanden. Insofern hätte die Blockade auch nicht wie eine Versammlung offiziell von der Polizei aufgelöst werden müssen, bevor mit dem kostenpflichtigen Räumeinsatz begonnen wurde.

Die Anwälte der KlägerInnen hingegen betonten, auch eine Versammlung, bei der Ordnungswidrigkeiten begangen würden, sei eine vom Grundgesetz geschützte Versammlung. Erst nach einer – in diesem Fall unterbliebenen – Auflösung hätten Polizei und Bundesgrenzschutz gegen die BlockiererInnen vorgehen und diesen Einsatz möglicherweise berechnen dürfen. Zudem seien den AktivistInnen überhöhte Einsatzkosten in Rechnung gestellt worden: Obwohl nie mehr als zwei Spezialkräfte gleichzeitig an der Befreiung der Angeketteten gearbeitet hätten, sollten diese die Vergütung von 28 Beamten für jeweils 20 Stunden übernehmen. Auch Maßnahmen zu ihrer eigenen Strafverfolgung wären den KlägerInnen widerrechtlich in Rechnung gestellt worden.