Ausgebootete Post streikt als Ausbilder

Das Land Berlin verschickt seine Briefe fortan mit der privaten PIN AG. Die beleidigte Post will deshalb nicht mehr ausbilden. Dagegen wiederum protestiert Ver.di. Nur die Wirtschaftsverwaltung freut sich – über mehr Wettbewerb

Es ist ein rhythmischer Protest. Zum „Trommeln für Ausbildungsplätze“ sind am Montag 150 meist junge Anhänger der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di vor das Postgebäude am Halleschen Ufer gekommen. Auf einem Transparent steht: „Uns sind Ausbildungsplätze lieber als die Gottschalkbrüder“. Gegen die omnipräsenten Werbeträger der Post hat der Firmennachwuchs eigentlich nichts, wohl aber gegen die Entscheidung der Post AG, in diesem Jahr in Berlin keine Zusteller-Auszubildenden mehr einzustellen. Dies hatte Berlins bisher drittgrößter Ausbilder am Donnerstag verkündet – als Reaktion auf die Entscheidung des Senats, Behördenpost künftig durch die private PIN AG zustellen zu lassen. Nach Angaben des zuständigen Landesverwaltungsamtes spart die Umstellung dem Land jährlich einen Millionenbetrag.

„Der Senat musste mit Konsequenzen rechnen“, sagt Postsprecherin Sylvia Blesing der taz: „Wir haben nun erhebliche Sendungsmengen weniger. Weniger Briefe, weniger Menschen.“ Um welche Geschäftsbereiche genau es sich bei dem Ausschreibungsverfahren handelte, wollten weder die Unternehmen noch die Wirtschaftsverwaltung sagen.

Nur Ver.di ist sich sicher, dass 170 Ausbildungsplätze bei der Post wegfallen. Ver.di-Postexperte Stefan Teuscher kritisierte, dass bereits 2004 nur 14 Auszubildende für den Beruf als „Fachkraft Kurier-Express-Postdienste“ – auf gut Deutsch: Briefträger – übernommen wurden. Stattdessen habe die Post AG im Weihnachtsgeschäft Aushilfen aus anderen Bundesländern in Berlin eingesetzt. „Außerdem haben wir kürzlich in einer Filiale im Stadtzentrum 20.000 ausstehende Überstunden gezählt.“ Auch ein Demonstrant, der nach seiner Ausbildung bei der Post eine 30-Stunden-Stelle bekommen hat, glaubt nicht an mangelnden Bedarf: „Das ist völliger Schwachsinn! Wir sind oft überlastet.“

Die Gewerkschaft beklagt sich aber nicht nur über die Post, sondern auch über den rot-roten Senat. Der müsse Ausschreibungen an Bedingungen knüpfen. „Die PIN AG bildet bisher nicht aus“, sagt Teuscher. Den Vorwurf weist Christoph Lang zurück. „Man kann solche Bieterverfahren laut Ausschreibungsrecht nicht an Ausbildungsplätze knüpfen“, erklärt der Sprecher von Wirtschaftssenator Harald Wolf (PDS). Aber auch er hält das Verhalten der Post AG für „nicht akzeptabel und nicht clever, denn Unternehmen können im Wettbewerb nur mit gut ausgebildeten Mitarbeitern bestehen“.

Das weiß auch die PIN AG. Nach eigenen Angaben versucht sie bereits „seit einigen Jahren, einen geeigneten Ausbildungsberuf anzubieten“. Bisher habe es aber nur die auf die Post zugeschnittenen Ausbildungsgänge gegeben. Einer Anpassung habe sich das aus einer Bundesbehörde hervorgegangene Unternehmen stets verschlossen.

Wenigsten die Wirtschaftsverwaltung scheint bei dem ganzen Theater nicht völlig unzufrieden. „Als Sprecher eines PDS-Senators ist das ja fast schon komisch“, sagt Christoph Lang, „aber wir begrüßen jedenfalls, dass sich langsam ein Wettbewerb entwickelt.“ Patrick Bauer