Dem Volk die Suppe versalzen

Die Unterschriften sind gesammelt, diese Woche wird ausgezählt: Doch obwohl die Volksinitiativen für mehr direkte Demokratie wohl erfolgreich waren, zieht die CDU-Mehrheit in der Bürgerschaft ihren Verwässerungskurs eisig durch

Von Markus Jox

Beim derzeitigen Unterschriftensammeln für den Erhalt der direkten Demokratie kommen selbst hartgesottene Polit-Fetischisten gelegentlich ins Schleudern: Die erste, Ende 2004 gestartete Volksinitiative, die von einem breiten gesellschaftlichen Bündnis getragen wird, heißt „Rettet den Volksentscheid“, die zweite, Anfang dieses Jahres ins Leben gerufen, nennt sich „Hamburg stärkt den Volksentscheid“. Der Unterschied: Während die Rettungs-Ini die Pläne des Senats und der CDU-Fraktion in der Bürgerschaft bekämpft, die Hamburger Volksgesetzgebung auszuhöhlen, hat die Stärkungs-Ini eine Verfassungsänderung zum Ziel, um das Instrument Volksentscheid in der Verfassung zu stärken.

Anders als beim Verkauf des Landesbetriebs Krankenhäuser, der vom Senat ungeachtet des anders lautenden Volkswillens an den privaten Klinikbetreiber Asklepios veräußert wurde, sollen künftige Volksentscheide mit einer Bindungswirkung versehen werden, um dann auch vor dem Verfassungsgericht Stand halten zu können.

„Mehr Demokratie“-Vorstandsmitglied Angelika Gardiner, neben Jürgen Mackensen von der Patriotischen Gesellschaft und dem Gewerkschafter Frank Teichmüller Vertrauensperson der Volksinitiativen, gab sich am Wochenende zuversichtlich: „Wenn ich sehe, was sich bei uns im Büro stapelt, würde ich sagen, wir kommen mit beiden Initiativen deutlich drüber.“ In dieser Woche sollen die Listen nummeriert und ungültige Unterschriften aussortiert werden. Letzteres trifft etwa zu, wenn Unterschriften unleserlich oder von Auswärtigen stammen: „Castrop-Rauxel darf halt einfach nicht mitstimmen“, so Gardiner.

Für jede Initiative sind zunächst 10.000 gültige Unterschriften nötig, um die Hürde zu einem Volksbegehren zu überspringen. Unterzeichnen durften nur Menschen, die in Hamburg wahlberechtigt sind. Obwohl die Initiatoren eigentlich sechs Monate für die Unterschriftensammlung Zeit gehabt hätten, sollten die Listen möglichst bereits am Wochenende abgegeben worden sein – allerdings werden Nachzügler in dieser Woche nicht abgewiesen werden.

Der Grund für die Eile: Ein allfälliger Volksentscheid über die direkte Demokratie soll nach dem Willen des Bündnisses am Tag der Bundestagswahl 2006 abgehalten werden. Am 28. Februar bereits, dem kommenden Montag, sollen deshalb die Papierstapel der Senatskanzlei übergeben werden, um das Anliegen in den institutionalisierten Politikbetrieb einzuspeisen.

Wenn die Bürgerschaft das Anliegen Volksinitiative mehrheitlich nicht übernimmt, haben die Initiatoren das Recht, für den Herbst ein Volksbegehren zu beantragen. Ein solches müssten binnen zweier Wochen 62.500 Hamburger Wahlberechtigte unterschreiben. Macht sich das Parlament auch den Inhalt eines erfolgreichen Volksbegehrens nicht zu eigen, stünde im Wahljahr 2006 der Volksentscheid auf der Agenda.

Allerdings gibt es einen entscheidenden Haken: Die Bürgerschaft ist nämlich gerade dabei, das Volksgesetzgebungsverfahren zu verändern. Geht es nach dem Willen der CDU-Mehrheitsfraktion, dürfen künftig keine Volksentscheide mehr gemeinsam mit allgemeinen Wahlen abgehalten werden. Nach seiner Anhörung Anfang Februar will der Verfassungsausschuss der Bürgerschaft am 8. März noch einmal öffentlich über das Thema beraten, ehe das Verwässerungspaket dann vom Plenum abgestimmt wird: „Die wollen uns die Suppe versalzen“, befürchtet Angelika Gardiner, „die stimmen das einfach durch.“