Das arme Tierchen!

Prunksters (18) – Die wöchentliche Kolumne aus den USA von Henning Kober. Heute: Jeremiah „Terminator“ LeRoy

Schleier auf die Sinne. Das Mädchen sieht aus wie die junge Tatum O‘Neal. Im Haar ein Gänseblümchen. Ihre Augen atemloses Flackern. Aus den heruntergezogenen Kopfhörern singt ein Engel: „It‘s intriguing“.

Vor uns das große Bild von Los Angeles. „Now I‘m sliding“. Rechts funkelt ein Fleck Pazifik. „Die Stimme gehört Dot Allison“, sagt das Mädchen, klar und großartig. Wir sprechen. „You‘re in heaven“. Helikopter huschen durch den Himmel. Links die Türme von Downtown. Autoschlange auf dem Sunset.

„So young yet“. Die Luft glitzert. „The summer is the thirst“. Über allem leuchtet der Smog in schrecklich schönen Farben. Wir sitzen im Staub des Runyon Canyons, Hollywood Hills.

Tatum heißt Trish. Das Sprechen verdanken wir unseren Hunden Bascha und Buddy – und dem Knochen, den Trish an einem Lederband um den Hals hängt. Bascha ist mein (geliehener) Labrador-Retriver-Pit Bull. Buddy ihr Baby-Rottweiler.

Sie schnüffeln, schlecken sich zwischen den Beinen. In einer Welt ohne Menschen wäre es gut, ein Hund zu sein. Der Knochen war in einem Waschbär, bevor der von einem Auto totgefahren wurde. Es ist ein Penisknochen. Er bringt Glück. Er ist ein Geschenk des Schriftstellers Jeremiah Terminator LeRoy, der von allen nur J. T. genannt wird. J. T. jedenfalls ist einer der Prunkster, von denen ich schon lange erzählen möchte.

Wir trafen uns letztes Jahr im New Yorker „Tribeca Grand Hotel“. J. T. hielt sich an einer Flasche Jack Daniels fest, das Gesicht wie immer von dunklen Gläsern und einer tief sitzenden blonden Perücke vor aufdringlichen Blicken geschützt. Sein schmaler Körper erschüttert zitternd. Die Party war zu seinen Ehren. Lou Reed war da und hunderte von hübschen Mädchen.

Die New York Times hatte ihn an diesem Tag auf zwei Seiten porträtiert. LeRoy ist der Autor der sehr guten Romane „Sarah“ und „Jeremiah“. Er hat das Drehbuch zu Gus Van Sants High-School-Drama „Elephant“ geschrieben. Gerade ist eine neue Geschichte erschienen, „Harolds End“. Darin erzählt er von einem Straßenjungen in San Francisco und dessen geliebtem Haustier, einer Schnecke. Seine schnellen Sätze schaffen das Größte: ein Gefühl der Wärme in wahrem Schmerz.

Mit 24 Jahren ist J. T. ein Star. Madonna und Courtney Love schreiben ihm Fanbriefe. Die Szene-Magazine ID und Index drucken seine Interviews. Mit 15 war sein Held das Heroin. Auf Truck-Stop-Parkplätzen in West Virginia tauschte er, als Mädchen verkleidet, seinen Körper gegen Dollarscheine. „Glücklich?“, fragte ich ihn. „Bald werde ich bewusstlos sein.“ Dann küsste ihn Nancy Sinatra feucht auf die Wange. Menschen wie J. T. ist das Beste zu wünschen.

prunksters@taz.de