Modell Österreich – diesmal für Gebühren

Das Alpenland galt Gebührenskeptikern bislang als bestes Argument gegen das Bezahlstudium. Nun werden Zahlen bekannt, die das Bild ändern: Es gibt trotz Gebühren mehr Studienanfänger, mehr Prüfungen und mehr Absolventen

Kein schöner Job für Bernhard Nagel. Der Kasseler Professor referierte beim Deutschen Studentenwerk über die schlechten internationalen Erfahrungen mit Studiengebühren. Da ging es um Australien, die USA – und auch Österreich war wieder dabei. Der eloquente Gebührengegner Nagel rief das südliche deutsche Nachbarland erneut in den Zeugenstand – contra Bezahlstudium. Wichtigstes Argument: Dort würden die Studierendenzahlen wegen der eingeführten Gebühren sinken. Selbst die Zahl der Studienanfänger habe sich, so Nagel, seit der Erhebung von 726 Euro pro Jahr fürs Studium nicht erholt.

Dennoch war Österreich am Ende der Tagung des Deutschen Studentenwerks zur Studienfinanzierung das Musterbeispiel dafür, wie man Gebühren sinnvoll erheben kann. „Wir sollten uns Österreich anschauen“, schwärmte etwa der Generalsekretär des Studentenwerks, Achim Meyer auf der Heyde, „es könnte ein Modell sein – für Studiengebühren.“ Was war da passiert?

Zwischen Nagels Verdikt und Meyer auf der Heydes Loblied trat ein österreichischer Beamter ans Mikrofon im Magnushaus nahe der Berliner Humboldt-Universität. „Ich bin ein Guter“, entschuldigte sich Ministerialrat Alexander Marinovic vorsorglich bei seinem gebührenkritischen Publikum, „ich bin für die Studienförderung zuständig.“ Dennoch hatte der Mann Zahlen dabei, die nicht nur Professor Nagel nervös werden ließen.

Richtig ist danach, dass Österreich bei der überstürzten Einführung des Hörergeldes so ziemlich alles falsch gemacht hat, was eine Administration falsch machen kann. Die Gebühreneinnahmen etwa wurden direkt in die Schatulle des Finanzministers geleitet – an den Unis brachen derweil teils unhaltbare Zustände aus. Und: Die Zahl der Studierenden und der Erstsemester brach sofort ein. Von 227.000 im Wintersemester 2000 sackte sie auf 182.000 im Wintersemester 2001 – ein Einbruch um 20 Prozent. Und ein Schock für alle, die von Gebühren Segensreiches erwartet hatten.

Allerdings lesen sich die österreichischen Erfahrungen heute, knapp vier Jahre nach Einsetzung der Hochschulmaut, schon wieder anders. Das Budget der österreichischen Bafög-Ämter etwa ist von gut 100 Millionen Euro auf 160 Millionen Euro gestiegen. Statt zuvor 30.000 erhalten inzwischen 42.500 Studis ein staatliches Stipendium. Das bedeutet: Den Zahlen nach ist die soziale Abfederung der Gebühren erfolgt. Auch wird das Gebührengeld inzwischen direkt in die Hochschulbudgets geleitet. Ganz besonders interessant aber sind die Zahlenbewegungen bei den Studierenden. Von einer abschreckenden Wirkung des Bezahlstudiums jedenfalls kann so einfach die Rede nicht mehr sein.

Die Zahl der Studierenden ist zwar noch nicht wieder auf dem Niveau von 2001 angelangt. Das aber hat nicht damit zu tun, dass die Studis die Hochschulen fliehen würden. Vielmehr ist die Zahl der Absolventen drastisch angestiegen – und zwar bereits vor der Erhebung der Gebühren. „Sobald bekannt wurde, dass Studiengebühren kommen“, mutmaßt Marinovic, „haben sich viele Studierende darum bemüht, ihr Examen zu machen.“

Spannender noch ist die Zahl der Neueinschreibungen – die steigt nämlich wieder. Im Jahr 2003, also zwei Jahre nach Gebührenstart, lag sie wieder auf dem alten Wert. Im Jahr 2004 gab es in Österreich, so Marinovic, „so viele Studienanfänger wie nie zuvor“.

Und auch qualitativ hat sich das Studium geändert. Es geht eine Art Ruck durch die Studierendenschaft. Im ersten Semester etwa legt über die Hälfte der alpenländischen Akademiker in spe keine Prüfung ab – so war es vor Einführung der Gebühren. Heute liegt dieser Wert nur mehr bei 19 Prozent. Ein ähnlich forsches Studierverhalten wird auch später beibehalten, die Zahl der Prüfungsmuffel sinkt im Bezahlstudium deutlich.

„Man überlegt sich offenbar schon vor dem Antritt des Studiums viel genauer, was man will“, interpretierte der österreichische Experte Marinovic diese Zahlen – und erntete sogleich Widerspruch. Die Zahlen sagten, so wandten etliche Kritiker ein, selbstverständlich noch nichts über die Qualität des Studiums. Das müsse man sich erst mal genau anschauen. Österreich, so lautet die Botschaft, ist als Beispiel wieder spannend geworden. CHRISTIAN FÜLLER