„Er war ein Gegner der Demokratie“

Paul Reusch war Mitglied im Stahlhelm, riet gegenüber Hitler zu Wohlwollen. Nun wirbt die Oberhausener Sparkasse für ihre Bürgerstiftung mit dem Konzernchef der Gutehoffnungshütte als Vorbild. Für den Historiker Peter Langer ein kapitaler Fehlgriff

taz: Welchen politischen Standpunkt vertrat Paul Reusch in der Weimarer Republik?

Peter Langer: Reusch war langjähriges führendes Mitglied im so genannten „Bund zur Erneuerung des Reiches“, der einen autoritären, vordemokratischen Staat wollte. Er war Mitglied im Stahlhelm, der auch nicht auf dem Boden der Weimarer Verfassung stand. Er war ein Gegner der parlamentarischen Demokratie.

Wie schätzen Sie Reuschs Verhältnis zu den Nationalsozialisten ein?

Er hat sie wegen ihres proletenhaften Auftretens verachtet und hat deren Wirtschaftsprogramm als Unsinn bezeichnet. Aber nachdem sie Anfang der Dreißiger Jahre so stark geworden waren, hat er versucht, sich mit ihnen zu arrangieren. Es gab dieses berühmt-berüchtigte Treffen mit Hitler zwischen den beiden Wahlgängen der Reichspräsidentenwahl 1932. Er wollte offenbar erreichen, dass man – nicht im Berliner Reichstag, aber auf Länderebene – Koalitionen mit den Nazis eingeht. Er wollte in Bayern – wo die Gutehoffnungshütte (GHH) mit der Tochterfirma MAN große Interessen hatte – einen Burgfrieden mit den Nazis und der Bayrischen Volkspartei zustande bringen, um diese nationalistische Massenbasis einzubinden.

Was war Reuschs Position, nachdem Hitler Reichskanzler wurde?

Reusch erkannte nicht die Tragweite dessen, was sich da vollzogen hat. Er hat die neue Regierung aber sicherlich als einen Fortschritt gegenüber der Regierung Schleicher angesehen. Redakteuren schrieb er intern: „Nun seid mal nicht zu begeistert, aber mit Wohlwollen kann man die Hitler-Regierung ruhig behandeln. Wollen wir mal sehen, was sie zustande bringt.“ Was die Nazis anging, war er weiterhin skeptisch, verhielt sich abwartend. Aber dann schwenkte Reusch auf deren wirtschaftspolitische Linie ein. Bereits im Juni müssen die Gespräche über die so genannten Mefo-Wechsel gelaufen sein, über die Finanzierung der Aufrüstung. Da tauchte die GHH plötzlich als eine der vier ersten Adressen bei dieser Metallurgischen Forschungsgesellschaft auf und zeichnete die entsprechenden Anteile – im Juli 1933! Das widersprach allem, was er vorher in der Wirtschaftspolitik vertreten hat.

Welche Gründe hatte dieser Schwenk?

Aus meiner Sicht nur einen: Er hatte die Befürchtung, dass die GHH sonst bei Rüstungsaufträgen Nachteile hätte.

Taugt Reusch als Vorbild?

Aus den Zwanziger Jahren heraus, bevor die Nazis an die Macht kamen, können nur Leute Vorbild sein, die Demokraten waren. Da gab es genug, die die Gefahr, die von den Nazis ausging, erkannt und durchschaut haben und die zu ihrer Überzeugung gestanden sind. Die können aus meiner Sicht Vorbilder sein. Damit will ich nicht alle anderen verurteilen: Diejenigen, die das Unheil nicht haben kommen sehen, die soll man aus heutiger Sicht nicht verurteilen, sofern sie sich nicht aktiv an Verbrechen beteiligt haben. Aber Vorbilder sind sie nicht.

Nun wirbt Oberhausens Sparkasse für die Bürgerstiftung mit den Konterfeis von Reusch und der früheren SPD-Oberbürgermeisterin Luise Albertz...

Das kann ich überhaupt nicht verstehen! Luise Albertz hat in der Anfangsphase der Bundesrepublik ganz erheblich dazu beigetragen, dass sich die Demokratie konsolidieren konnte. Ihre demokratische Überzeugungen stehen völlig außer Zweifel. Insofern kann und muss Albertz natürlich Vorbild sein. Daneben so jemand wie Reusch zu stellen, der die Weimarer Demokratie bekämpft hat, halte ich nicht für zulässig. INTERVIEW: U. BREITBACH